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DIE ABSCHAFFUNG DER MÖBEL
(1924)

Liebe freunde, ich will euch ein geheimnis verraten: Es gibt keine modernen möbel!

Oder, um es präziser zu sagen: nur die möbel, die mobil sind, können modern sein. Alle möbel, die festgebannt an der wand stehen, also nicht mobil und, wie schon aus dem namen hervorgeht, daher keine richtigen möbel sind: truhe und schrank, glaskasten und büfett, gibt es heute überhaupt nicht mehr. Man wußte das nicht. Und daraus entstanden alle fehler. Man sagte sich, daß doch schränke und büfetts zu jeder zeit modern gemacht, zeitgemäß erdacht worden seien und daß man daher die aufgabe habe, diese dinge auch heute zeitgemäß zu schaffen. Das war ein denkfehler. Denn, da es heute überhaupt keine schränke mehr gibt, können auch keine modernen entstehen. Diese nicht mobilen möbel sind aufbewahrungsmöbel. Im büfett wurde das porzellan, im schrank wurden die kleider aufbewahrt. Solche aufbewahrungsmöbel waren anzeichen vornehmer lebensführung. Der reichtum der familie wurde durch truhen und kasten dem besucher unter die nase gerieben. So ein büfett beherbergte den ganzen glas-, porzellan- und silbervorrat der wohnungsbesitzer. Es war herrlich! Ein hochaltar prangte an der besten stelle des speisezimmers, und im allerheiligsten, im tabernakel standen die schnapsgläser. Ich sagte meinen schülern immer: je ordinärer die familie, desto reicher und größer das büfett. Bei kaisern gibts freilich überhaupt keines!

Die unmoderne hausfrau fragt nun ängstlich, wohin sie denn alle diese dinge tun solle. Aber auf dem wege

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Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 388. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/390&oldid=- (Version vom 1.8.2018)