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Möge er es nie werden. Mögen die geheimnisse der materie immer für uns mysterien bleiben. Sonst säße nicht der meister in qualvollem glück vor dem brennofen, harrend, hoffend, träumend von neuen farben und tönen, die gott in seiner weisheit zu erschaffen vergaß, um den menschen an der herrlichen lust des schöpfens teilnehmen zu lassen …

„Also was meinen sie dazu, herr Loos?“ fragte einer.

Ich meinte nichts.

Unsere künstler sitzen am reißbrett und machen entwürfe für die keramik. Sie teilen sich in zwei lager. Die einen entwerfen in allen stilarten, die andern nur „modern“. Beide lager verachten einander gründlich. Aber auch die modernen künstler haben sich gespalten. Die einen verlangen, daß das ornament der natur entnommen werde, die an dem, daß das ornament nur der phantasie entspringe. Aber alle drei verachten den meister. Warum? Weil er nicht zeichnen kann. Das schadet dem meister aber nicht. Kacheln, die Bigot in Paris vor zehn jahren geschaffen hat, haben noch nichts von ihrem zauber eingebüßt. Aber die muster, die die künstler vor fünf jahren auf den markt brachten, bereiten selbst ihnen heute schon nervenschmerzen. Das gilt natürlich von allen entwürfen dieser richtung.

Wer keramische produkte kauft, möge sich das stets vor augen halten. Man gibt doch nicht sein geld aus, um sich in drei jahren über das erworbene zu ärgern. Gegenstände, die das meisterliche, schöpferische gepräge tragen, werden ihren wert stets behalten. Gegenstände, die mit secessionistischem ornament versehen sind, sollen, wenn sie einem auch gefallen, zurückgewiesen werden. Sie gefallen, nicht, weil sie schön sind oder unserem

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Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 256. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/255&oldid=- (Version vom 1.8.2018)