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Der Aronstab.

Meine Augen geben sich ein Freudenfest, ein Fest in Grün und Gold und Silber.

Golden fällt die Sonne durch die grünen Wipfel auf die silbernen Stämme, betont hier einen Farrn, hebt dort eine Blüte hervor, zieht da eine Grasrispe aus der Verborgenheit.

Ich war neulich fertig mit der Menschheit gewesen, restlos fertig. Ich hatte Karl Moor in mir zitiert: „Menschen, Menschen, heuchlerische Krokodilenbrut!“ Zumal das weibliche Geschlecht. Ich zitierte König Lear, Nietzsche, den Apostel Paulus, Schopenhauer, Strindberg, und verwandte Geister.

Aber irgend etwas muß der Mensch für das Herz haben, soll es nicht verknorpeln. Doch woher nehmen und nicht stehlen? So hängte ich mein Herz an die Tiere des Waldes. Es wurde ein böser Hereinfall. Überall Falschheit und Niedertracht. Sehr bald hatte ich genug davon.

So blieben mir nur noch die Blumen, die Bäume und Sträucher. Ich trat ihnen näher, schloß Freundschaft mit allen, den zarten und starken, den schlichten und stolzen, und es dauerte nicht lange, da wurde mein welkes Herz glatt und prall und meine Augen blitzten, wie einst im Mai.

Es fallen viele Sonnenstrahlen durch die Wipfel auf den Waldboden, aber dieser eine hier bei mir ist ganz besonders schön. Drei goldene Spinnennetze sind in ihm, und da, wo er im silbernen Efeuteppiche sein Ende findet, erhebt sich ein wunderbar schöner Straußfarrn, und vor ihm ist etwas ganz

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Hermann Löns: Der zweckmäßige Meyer. Sponholtz, Hannover 1911, Seite 58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loens_Der_zweckmaessige_Meyer.pdf/64&oldid=- (Version vom 1.8.2018)