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lustig auf und wurde sehr schön. Das war gut! Aber es wurde auch sehr liebenswürdig, weil es gütig, freundlich und sanft war; das war noch viel beßer. Man sahe das liebe Kind nur gern an; man that Alles, was man ihm an den Augen abmerkte, und alle Leute sagten, unser kleines Prinzeßchen ist ein Engel.

Schon war die Prinzeßin eine Weile ins funfzehnte Jahr gegangen und ihre Aeltern waren im Garten, als sie im Schloße umherging, welches sie oft that und mit allen Leuten gar freundlich sprach. Da kam sie an eine Thurmthüre, die sie offen fand, da sie vorher dieselbe immer mit großen Riegeln verschloßen gefunden hatte. Sie muß doch wißen, wie es in dem Thurme aussieht und geht hinein, steigt eine Treppe hinauf und wieder eine und dann noch einige, kommt dann zu einer kleinen Thür, die sie mit dem daran steckenden Schlüßel öffnet. Da trat sie in eine kleine Stube, in welcher ein kleines reinliches Mütterlein saß und spann. Das hatte sie noch nie gesehen, darum gab sie recht acht und sagte: „Ob ichs denn auch wohl könnte?“ – „Ja, liebes Prinzeßchen, sagte freundlich das Mütterlein, das könnt Ihr nicht wißen, bis Ihr es nicht versucht habet.“ Die Prinzeßin wollt es versuchen, nahm die Spindel, stach sich damit in den Finger und versank sogleich in einen Todesschlaf.

In demselben Augenblick verfiel Alles im Schloße in festen Schlaf; der König und die Königin, die aus dem Garten zurück waren, schliefen ein; die Bedienten und die Kammermädchen schliefen mitten im Herumlaufen und Plaudern ein; der Koch, welcher dem Küchenjungen eben nach den Haaren griff und ihn raufen wollte; die Küchenmagd, die das abgebrühete Hun rupfen wollte, die Pferde in den Ställen, die Hunde auf dem Hofe, die Fliegen an den Wänden, die Mäuse in den Löchern, der schnurrende Bratenwender und