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hin. Müde. Enttäuscht. Ausgehungert. Stempeln, stempeln, stempeln.“

– „Ausrufung der Diktatur? Absetzung des Reichspräsidenten?“

– „Wo denken Sie hin! Mussolini hat seinen kleinen König; die hier haben ihren breiten Hindenburg. Der bleibt. Der Reichstag wird so gut wie nach Hause geschickt … niemand wird ihn vermissen. Denn was die da in den letzten Jahren getrieben haben: so etwas von Leerlauf, von Selbstzweck, von Insicharbeit … so etwas war noch nicht da. Eine Karikatur des Parlamentarismus. Der ist fertig. Ein Direktorium, ein Ausschuß, irgend etwas mit harmlos-hochtönendem Namen, das wird regieren.“

– „Und wie?“

– „Immer verfassungstreu, oho! Druck mit staatsfeindlichen Mitteln auf den Staat – und dann verfassungstreu. Wie sie regieren werden? Viel harmloser, als die maßlos enttäuschten, aber bald gebändigten Kleinbürger glauben. Deren radikale Flügel werden rasch unterdrückt; auch Herr Hitler hat seine Schuldigkeit getan und kann gehn. Es wird keine Revolution sein, so wenig wie die von 1918 eine gewesen ist – Personalböen werden sie machen …“

– „Bitte, klarer. Was sind Personalböen?“

– „Stürme in den Wassergläsern der Ressorts. Absägung der unbequemen Regierungssozialisten; Pensionierung von ein paar hundert Konzessionsschulzen, die sich schlecht und recht durchgebuttert hatten, bis zu diesem Augenblick – und die kindlich erstaunt waren, als es nun so weit war. Die Brüder hatten nie etwas andres gesehen als ‚Realitäten‘ – also gar nichts. Von der wahren Kräfteverteilung im Lande fühlten sie nichts; hier mußten ihre Informationen versagen, denn statistisch

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Kurt Tucholsky: Lerne lachen ohne zu weinen. Ernst Rowohlt, Berlin 1932, Seite 74. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lerne_lachen_ohne_zu_weinen_074.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)