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Zustande. Währenddessen stieg ich mit Hilfe meiner Bettücher vom Fenster des zweiten Stocks herunter. Emilie folgte mir und wir verschwanden auf Nebenwegen, wo man nicht einmal von ferne daran dachte, uns zu suchen. So kamen wir in die Vorstadt Notre-Dame von Lille. Da kaufte ich mir eine Ordonnanzmütze des Jägerregiments zu Pferde und trieb die Vorsicht so weit, mir aufs linke Auge ein Pflaster von schwarzem Taffet zu kleben, das mich unkenntlich machte. Dennoch hielt ich es nicht für klug, allzulange in einer Stadt zu bleiben, die so in der Nähe meines Geburtsortes lag, und so reisten wir nach Gent. Aber in Gent geschah es durch einen ziemlich romantischen Zufall, daß Emilie ihren Vater wiederfand, und er bestimmte sie, wieder zu ihrer Familie zurückzukehren. Immerhin willigte sie erst ein, mich zu verlassen, nachdem wir ausdrücklich abgemacht hatten, daß ich sie treffen würde, sobald meine Angelegenheiten, die ich in Brüssel zu haben behauptete, erledigt seien.

Die Angelegenheiten, die ich in Brüssel hatte: das war der Wiederbeginn meiner Ausbeutetätigkeit im türkischen Café und im Café de la Monnaie. Aber, um mich in dieser Stadt bewegen zu können, hätte ich Papiere gebraucht, die bezeugten, daß ich wirklich Rousseau war, gebürtig aus Lille, wie ich es seinerzeit im Verhör behauptet hatte. Ein Hauptmann von den belgischen Karabiniers, namens Labbre, machte sich anheischig, für fünfzehn Louisdor die nötigen Papiere zu besorgen. Nach drei Wochen brachte er mir auch wirklich einen Geburtsschein, einen Paß und eine amtliche Bestätigung auf den Namen Rousseau. Alles war mit einer Vollkommenheit verfertigt, wie ich sie noch nie bei einem Fälscher gesehen habe. Mit diesen Papieren tauchte ich nun wirklich wieder in Brüssel auf, und der Platzkommandant von Brüssel, ein alter Kamerad von Labbre, nahm es auf sich, meine Sache ins reine zu bringen.

Voller Ruhe ging ich ins türkische Café. Die ersten Leute, die ich im Saal bemerkte, waren jene Offiziere von eigenen Gnaden, mit denen ich schon, wie man sich erinnern wird, auf

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_058.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)