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Regimentskameraden traktieren zu können. In kurzer Zeit hatten wir solche Fortschritte im Reiten gemacht, daß wir den Feldschwadronen zugeteilt wurden. Und wir waren bei denen gerade zwei Tage, als die Schlacht von Jemappes stattfand. Nun, es war nicht das erstemal, daß ich im Feuer stand. Ich hatte keine Furcht, und ich glaube sogar, daß meine Führung mir das Wohlwollen meiner Vorgesetzten eingetragen hatte; da teilte mir mein Hauptmann mit, daß ich als Deserteur angezeigt sei und sofort verhaftet würde. Die Gefahr war dringend. Noch am selben Abend sattelte ich mein Pferd, um zu den Österreichern überzugehen. In wenigen Minuten hatte ich ihre Vorposten erreicht. Ich bat, Dienste nehmen zu können, und man kleidete mich bei den Kinsky-Kürassieren ein. Was ich am meisten fürchtete, war, daß ich mich am anderen Morgen mit den Franzosen schlagen mußte. Ich suchte diesem Zwang eiligst zu entwischen. Ich schützte Unpäßlichkeit vor, und das brachte mich nach Louvain, wo ich nach einigen Tagen im Spital den Offizieren der Garnsion anbot, ihnen Fechtstunden zu erteilen. Sie waren entzückt von diesem Vorschlag. Gleich besorgte man mir Masken, Handschuhe und Floretts. Und ein Ausfall, mit dem ich zwei oder drei angebliche deutsche Fechtkünstler entwaffnete, brachte allen eine hohe Meinung von meiner Geschicklichkeit bei. Bald hatte ich zahlreiche Schüler, und ich machte mir ein ganz schönes Stück Geld.

Ich war ganz stolz über meine Erfolge, als ich bei Gelegenheit eines etwas zu lebhaften Streites mit einem Leutnant vom Dienst zu zwanzig Stockschlägen verurteilt wurde. Und diese Strafe wurde mir, wie es üblich war, auf der Parade zugemessen. Diese Exekution brachte mich vor Wut ganz außer mir; ich weigerte mich, weiter Unterricht zu geben, aber man befahl mir fortzufahren, indem man mir die Wahl ließ zwischen meinem Unterricht und einer neuen Körperstrafe; ich wählte den Unterricht. Aber die Stockschläge saßen mir im Gedächtnis, und ich beschloß, alles zu unternehmen, um mich von ihnen freizumachen.

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Eugène François Vidocq: Landstreicherleben, Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Landstreicherleben_034.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)