Seite:Krohn Bär (Wolf) und Fuchs.djvu/43

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Daraus erkennt man schon, dass sich die russische Form eigentlich nur darin von der skandinavischen unterscheidet, dass sie überall an die Stelle des Bären den Wolf setzt. Doch haben auch die Russen zweifellos ursprünglich den Bären gehabt, und davon haben sich noch bis heute, wenn auch nicht im vorliegenden Tiermärchen, so doch in anderen später zu besprechenden recht merkliche Spuren bewahrt. Jetzt bleibt nur noch die Frage: wie ist dieser Personenwechsel zu erklären, welcher schon so früh in der mittelalterlichen Litteratur und so allgemein unter dem Volke im grössten Teile von Europa stattgefunden hat? Kolmatschewski[1] weist in dieser Beziehung ganz richtig auf die äsopische Fabelliteratur hin, in welcher wir schon früher (Kap. I. 4) Wolf und Fuchs einander gegenübergestellt gefunden haben. Diesen Gegensatz haben dann die Verfasser der mittelalterlichen Tierepen und Fabelbücher immer weiter entwickelt, indem sie ihn solchen geschriebenen wie mündlichen Erzählungen anpassten, in welchen er anfänglich nicht existierte. Diese derartig geformten Erzählungen verbreiteten sich allmählich unter dem Volke selbst, indem sie, wie wir schon oft gesehen haben, mit den volkstümlichen Tiermärchen sich vereinigten und vermischten, wodurch bei diesen der obenerwähnte Personenwechsel eintrat. Doch ist bemerkenswert, dass durch diesen Wechsel jenes in Mittel-Europa zu bemerkende Abnehmen und Verschwinden der Bären befördert und erleichtert wurde, wogegen die Wölfe sich fast überall und besonders gerade in Russland richtig rudelweise fanden.

+ Das wichtigste von den mit vorliegendem Märchen verbundenen (schon Reinhart) und vermischten, ja völlig an seine Stelle getretenen Erzählungen ist das Haschen nach dem für den Mond gehaltenen Käse auf dem Boden des Brunnens, das sich schon bei Salomon Isaak sowie in Verbindung mit einem andern Märchen (XXII.) bei Petrus Alfonsi vorfindet, und das vermutlich durch Uebersetzung des letzteren sowohl in das Tierepos als auch in die Fabelliteratur gedrungen


  1. Kolmatschewski, S. 88.
Empfohlene Zitierweise:
Kaarle Krohn: Bär (Wolf) und Fuchs. Suomalaisen Kurjallisuuden Seuran Kirjapainossa, Helsingissä 1889, Seite 41. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Krohn_B%C3%A4r_(Wolf)_und_Fuchs.djvu/43&oldid=- (Version vom 1.8.2018)