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schlafen.“ Da legte sie sich ins Korn und schlief ein. Der Hans war längst zu Haus, aber die Else wollte nicht kommen, da sprach er „was hab ich für eine kluge Else, die ist so fleißig, daß sie nicht einmal nach Haus kommt und ißt.“ Als sie aber noch immer ausblieb und es Abend ward, gieng der Hans hinaus, und wollte sehen was sie geschnitten hätte: aber es war nichts geschnitten, sondern sie lag im Korn und schlief. Da eilte Hans geschwind heim, und holte ein Vogelgarn mit kleinen Schellen und hängte es um sie herum; und sie schlief noch immer fort. Dann lief er heim, schloß die Hausthüre zu und setzte sich auf seinen Stuhl und arbeitete. Endlich, als es schon ganz dunkel war, erwachte die kluge Else, und als sie aufstand, rappelte es um sie herum, und die Schellen klingelten bei jedem Schritte, den sie that. Da erschrack sie, ward irre ob sie auch wirklich die kluge Else wäre und sprach „bin ichs, oder bin ichs nicht?“ Sie wußte aber nicht was sie darauf antworten sollte und stand eine Zeitlang zweifelhaft: endlich dachte sie „ich will nach Haus gehen und fragen ob ichs bin oder ob ichs nicht bin, die werdens ja wissen.“ Sie lief vor ihre Hausthüre, aber die war verschlossen: da klopfte sie an das Fenster und rief „Hans, ist die Else drinnen?“ „Ja,“ antwortete der Hans, „sie ist drinnen.“ Da erschrack sie, und sprach „ach Gott, dann bin ichs nicht,“ und gieng vor eine andere Thür; als aber die Leute das Klingeln der Schellen hörten, wollten sie nicht aufmachen, und sie konnte nirgend unterkommen. Da lief sie fort zum Dorfe hinaus, und niemand hat sie wieder gesehen.

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Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 1 (1857). Göttingen 1857, Seite 178. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1857_I_178.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)