Seite:Kinder und Hausmärchen (Grimm) 1856 III 229.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

anführt, wo es vorkommt. Auch bei Geiler von Kaisersberg Euangelia mit Vßlegung (Straßb. 1517) Bl. 195–196.


146.
Die Rübe.

Schon der äußern Form nach ein altes Märchen, es ist nämlich übersetzt aus einem lateinischen Gedicht des Mittelalters und zwar nach der in Straßburg vorhandenen Papierhandschrift (MSS. Johann. C. 102 aus dem 15. Jahrh.), worin es 392 Zeilen in elegischem Versmaß enthält und Raparius überschrieben ist; eine andere gleichzeitige wird zu Wien aufbewahrt (Denis II. 2. p. 1271. Cod. DLXII. R. 3356). Das Gedicht selbst mag indessen bereits im 14. Jahrh. verfaßt sein, ohne Zweifel nach mündlicher Volkssage, vielleicht eben aus dem Elsaß, denn die große Rübe gehört zu den Volksscherzen, und Fischart in der Vorrede zum Ehzuchtbüchlein gedenkt schon der Rüben zu Straßburg. In dem Volksbuch von dem lügenhaften Aufschneider (auch ins Schwedische übersetzt, Lund 1790) heißt es „als ich nun weiter fortwanderte und nach Straßburg kam, sah ich daselbst auf dem Feld eine solch große Rübe stehen als ich noch niemals eine gesehen, und ich glaube daß einer mit einem Roß in drei langen Sommertagen dieselbe nicht umreiten könne“; auch in dem Lustspiel in straßburgischer Mundart der Pfingstmonat wird (S. 177) das Straßburger Gemüs gerühmt, „Kruttkiph vierdels zentnerschwer und zwölfpfündje Retti“. Dem Märchen selbst fehlt es nicht an merkwürdigen Beziehungen. Von dem misrathenen Versuch den Glückserwerb zu überbieten, da doch das unschuldige Herz fehlt, wird auch in andern Märchen erzählt. Die Erlösung aus dem Sack ist genau die aus dem Brunneneimer in der Thierfabel, wo der Fuchs den dummen Wolf berückt, hinunter ins Himmelreich einzugehen, damit ihn dieser herausziehe. Als sie sich unterwegs in den Eimern begegnen, spricht der Fuchs die bekannten spöttischen Worte „so gehts in der Welt, der eine auf, der andere nieder.“ Dieser Sack und Eimer sind ferner auch die Tonne, worin der kluge Mann von den dummen Bauern ersäuft werden soll (s. Nr. 61 und Scarpafico bei Straparola), der aber einem vorbeigehenden Hirten weiß macht daß wer sich hinein lege zu einer Hochzeit und großen Würde

Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 3 (1856). Dieterich, Göttingen 1856, Seite 229. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1856_III_229.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)