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wieder ein. Der andere will dasselbe Kunststück auch vollbringen, zieht jenem mit seinen Salben die Augen heraus und legt sie auf den Tisch. Als er sich aber bereitet sie wieder einzusetzen, kommt ein Rabe durch das offene Fenster, holt schnell ein Auge weg und frißts. Der arbeitende ist in Noth, denn kann er das Auge nicht wieder einsetzen, wird er dem andern unterthänig. Da schaut er sich um und erblickt eine Ziege, dieser nimmt er eilends das eine Auge und setzt es seinem Gesellen für das fehlende ein. Als er ihn fragt wie es ihm vorkomme, antwortet er, Verletzung und Schmerz habe er nicht gespürt, aber eins seiner Augen schaue immer über sich zu den Bäumen (wie nämlich die Ziegen nach dem Laub thun), das andere unter sich. Verwandt ist eine altdeutsche Erzählung wie ein künic îsan einer katzen ouge gewan (pfälz. Handschr. Nr. 341 Bl. 274. 275, auch in einer Handschr. zu Wien s. Schlegels Museum 4, 416. Nr. 138). Der König hat ein Auge verloren, ein Meister erbietet sich ihm ein Thierauge dafür einzusetzen. Der König wählt ein Katzenauge das bei Tag und Nacht sehen könne, der Meister setzt es ihm geschickt ein und wird reichlich belohnt. Wenn nun aber der König bei Tisch oder sonst wo sitzt, so schaut das Katzenauge nur nach den Mäusen in den Winkeln und unter den Bänken sich um, Menschen sieht es nicht an; darüber ist der König höchst ärgerlich. Im isländischen heißt ein solcher Katzenäugiger freskr von fres Kater (s. Biörn Haldorson freskr und ófreskr). Das Einsetzen anderer Augen und eines anderen Herzens kommt merkwürdig auch in dem altschottischen Lied von dem jungen Tamlane vor (Ministrelsy of the scottish Border 2, 200). Das Zauberweib, als er aus ihrer Gewalt befreit ist, spricht zu ihm „hätte ich das gewußt, ich hätte dir deine beiden Augen herausgenommen und dir zwei vom Baum eingesetzt, und ich hätte dir dein Herz von Fleisch genommen und dir eins von Stein eingesetzt“; was auch heißen kann „ich hätte dich in einen Baum und in Stein verwandelt, dir das Leben genommen.“ Das erinnert an Hrugnirs steinernes und das seinem Bruder Mokurkalfr eingesetzte Pferdeherz: an den Teufel der den Geisen ihre Augen ausstach und seine eigenen ihnen einsetzte (s. des Teufels Gethier Nr. 148), endlich ist aus Wolframs Wilhelm (1, 146) eines Bildes zu erwähnen, wie Venus dem Tibald sein Herz ausschneidet und das der Arabele hineinlegt. Hans Sachs (2. 4, 148 Kempt. Ausg.) hat einen dem Märchen ähnlichen, nur etwas bäurischen Schwank. Einem Bauern wird

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Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 3 (1856). Dieterich, Göttingen 1856, Seite 198. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1856_III_198.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)