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durch nichts gehindert oder abgeschnitten, gingen durch diese hindurch.

Dieses Experiment, welches Mästlin bei der Beobachtung einer Sonnenfinsterniss machte [1599. Febr. 25.], ist allerdings richtig und veranlasste auch den Tycho Brahe, dem Neumonde einen kleineren Durchmesser zuzuschreiben als dem Vollmonde, und Longomontan pflichtete seinem Lehrer in einem Buche: ‚Dänische Astronomie‘[UE 1] bei. Viel hat sich mit dieser Eigenschaft des Mondes auch der friesische Astronom David Fabricius befasst, dessen Meinung ich im Vorwort zu den ‚Ephemeriden‘[UE 2] besprochen habe. Sehr wahr ist es nach meiner Ansicht, dass bei dem durch ein kleines Loch aufgefangenen Bilde der verfinstert werdenden Sonne der convexe Umriss ein Theil eines grösseren Kreises und der concave der eines kleineren sei, aber der Grund, den der Disputant anführt, ist nicht stichhaltig. Es ist nicht meine Absicht, die Luftschicht um den Mond abzuleugnen, ich habe sie ja in meiner ‚Optik‘[UE 3] und in meiner ‚Dissertation‘[UE 3] angeführt; aber nicht sie bewirkt das, was der Disputant meint. Denn jener Erscheinung liegt etwas anderes zu Grunde, nämlich das Loch selbst, durch das der Sonnenstrahl einfällt. Infolge einer zu grossen Oeffnung kommt zu dem sichelförmigen Bilde der Sonne ringsherum ein heller, ungenauer Schein hinzu, besonders an den Spitzen der Hörner, so dass diese dann abgestumpft erscheinen. Wenn dieses zerstreute Licht abgehalten wird, so bleibt das wahre Bild übrig, dessen äusserer Umriss schon kleiner ist, als der innere concave. Wenn nun also dieses Mittel angewandt wird, so erhält man den Durchmesser des die Sonne bedeckenden Mondes congruent dem des Vollmondes. Diese meine Lösung des Knotens führt Mästlin aus meiner ‚Optik‘, die ich gerade zu der Zeit[UE 4] herausgegeben hatte, in einer Note zu der These auf, lobt sie und nimmt auch meine Verneinung eines Grössenunterschiedes zwischen Neu- und Vollmond an; trotzdem aber streicht er aus der Zahl seiner Beweisversuche für die Luftschicht des Mondes diesen ersten nicht, und zwar, wie ich vermuthe, weil er das endgültige Urtheil dem Leser überlassen zu müssen glaubt. Oder wähnt er vielleicht, eine genügend kleine Oeffnung benutzt zu haben,

Anmerkungen des Übersetzers

  1. ‚Astronomia Danica‘, ein Buch, welches die sphärische und theoretische Astronomie nach dem ptolemäischen, copernicanischen und tychonischen System enthält. Longomontan war Anhänger des Tycho, nahm aber an, dass die Erde täglich von Westen nach Osten rotire; s. auch C. 17.
  2. ‚Ephemerides novae Motuum Coelestium‘. Linz 1616. K. O. O. VII, S. 443.
  3. a b Beide K. O. O. II.
  4. Frankfurt a. M. 1604.
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Kepler: Keplers Traum vom Mond. B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seite 146. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keplers_Traum_174.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)