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letztere, der Mond wird uns also in M durch die Wirkung der Luftperspective und eine verstärkte Divergenz der Lichtstrahlen vergrössert erscheinen. Anderseits ist es eine Thatsache, dass das Auge die Grösse von Gegenständen nach der Ausdehnung der Fläche, auf welcher es dieselben erblickt, abschätzt, so zwar, dass ihm ein Gegenstand um so grösser erscheint, je mehr Raum er auf der Beobachtungsfläche einnimmt. Hierzu kommt, dass das Auge gewohnt ist, die Grösse eines Objectes auch nach dem Verhältniss der in der Nähe befindlichen Gegenstände zu bemessen. Wenn der Mond nun über den Horizont emporsteigt, findet das ihn beobachtende Auge irdische Gegenstände, als Häuser, Bäume, Berge, Thürme u. s. w., die einmal das Gesichtsfeld einengen, ferner aber auch zu Vergleichen mit ähnlich geformten Objecten, z. B. Schornsteinen, Baumtheile, Gebirgskuppen, Kuppeln u. s. w. Veranlassung geben, wodurch die Mondscheibe grösser angesehen wird, als sie ist. Denn wenn man den Mond durch ein dunkles Blendglas betrachtet, wodurch die ihn umgebenden irdischen Gegenstände unsichtbar werden und nur die helle Mondscheibe in’s Auge fällt, so wird sofort die imaginäre Vergrösserung wesentlich reducirt. Erst wenn der Mond höher und höher steigt und dann am freien Himmelsgewölbe auf einer weithin unbegrenzten Fläche steht, durch keinerlei Vergleichsobjecte beeinflusst, schwindet das Trugbild gänzlich und Luna erscheint in ihrer wahren Grösse.


94. [126.]


Es ist von den scheinbaren Durchmessern, nicht von den wirklichen die Rede [s. C. 85]. So ist der scheinbare Halbmesser des Mondes im Apogäum 15′ und seine Parallaxe bei derselben Stellung 58′ 22″, was etwas weniger ist als 60, dem Vierfachen von 15. Ebenso gross aber, wie die Parallaxe des Mondes, würde der Halbmesser der Erde erscheinen, wenn das Auge auf dem Monde wäre. Das Verhältniss ist also etwas kleiner als viermal, was quadrirt 16 mal macht, d. h. grösser als 15 mal für die sichtbaren Scheiben.

Hier die Rechnung:

58′ 22″ Logar. logist. 002 761
15′ 00″ Logar. logist. 138 629
Das Verhältniss ist 135 868
Dies quadrirt giebt: 271 736

Zu diesem Logar. logist, ergiebt sich als Numerus 3′ 58″. Wenn also die Erdscheibe 60′, so ist die Mondscheibe 3′ 58″; da 4′ 0″ der 15. Theil von 60 ist, so ist mithin das Verhältniss etwas grösser.

Es ist interessant, dieser Rechnung nachzuspüren, um zu erfahren, wie Kepler auch hier sprungweise vorgeht.

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Kepler: Keplers Traum vom Mond. B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seite 094. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keplers_Traum_122.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)