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12 000 Meilen in die Höhe gerissen wird, und noch der Mangel an Luft hinzukommt, so muss er sterben, wie die Fische, wenn sie kein Wasser haben. Unter den Sätzen, welche die berühmtesten Physiker aufgestellt haben, befindet sich auch der, dass die Oberfläche der Luft, durch die Gipfel der höchsten Berge oder auch schon etwas tiefer begrenzt werde.

Kepler spinnt in diesem und dem Nachfolgenden die Allegorie weiter, indem er seine Deduktionen durch physikalische und astronomische Gesetze begründet. Wir werden sehen [C. 39], dass die Reise in spätestens 4 Stunden beendet sein muss, und da der Weg von Erdoberfläche bis Mondoberfläche ca. 48 000 Meilen beträgt, so muss freilich in einer Stunde eine Strecke von ca. 12 000 Meilen zurückgelegt werden. Beachtenswerth ist, dass Kepler schon eine Begrenzung der Luftschicht annahm; spätere Forschungen haben allerdings diese Grenze bedeutend höher gelegt und man nimmt heute den Abstand von der Erdoberfläche, in welchem die Atmosphärenschichten noch merkliche Wirkungen im Sinne von Veränderungen der Fortpflanzungsrichtung des Lichtes verursachen, auf etwa 80 km an, ohne damit beweisen zu wollen, dass über diese Höhe hinaus keine der Erde angehörigen und an ihren Bewegungen theilnehmenden Schichten mehr vorhanden sind. Diese wird man vielmehr nach Foerster[UE 1] mit ausreichender Sicherheit bis zu etwa 150 km Höhe schätzen können. Allein die Höhe, worin ein menschliches Wesen noch zu vegetiren vermag, dürfte nicht viel grösser sein, als Kepler angiebt. Von Berson in neuester Zeit ausgeführte Luftschiffahrten haben ergeben, dass man schon bei 9 km Höhe wegen der Abnahme des Sauerstoffs in der Luft nicht mehr leben kann, auch der hier herrschenden Temperatur von –48° C. würde der menschliche Organismus kaum widerstehen.


37.


Wie Kepler selbst in der Note [60] sagt, war er sehr aufgelegt zum Scherzen und mit dem Mantel des Humors und der Satyre hat er in dieser Schilderung manches Traurige seiner Zeit zugedeckt. Wer denkt nicht bei der Erwähnung der ausgemergelten alten Weiber an die zum Blocksberg reitenden Hexen? Und Kepler, der durch die Hexenprocesse so bitteres Leid erfahren, mochte nicht ungern Veranlassung nehmen, diese alten Weiber als besonders tauglich zur Reise hinzustellen, symbolisch so einen Weg andeutend, diese Schmach seiner Zeit von der Erde zu verbannen.

Anmerkungen des Übersetzers

  1. Prof. Dr. Wilhelm Foerster, ‚Die Erforschung der obersten Schichten der Atmosphäre.‘ Sonder-Abdruck aus d. Verhandl. d. Gesellsch. f. Erdkunde zu Berlin. 1891. Heft 6.
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Kepler: Keplers Traum vom Mond. B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seite 047. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keplers_Traum_075.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)