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102 Elementarl. II. Th. I. Abth. I.Buch. II. Hauptst. 102

der Erscheinungen nothwendig voraussezt) zum Grunde liegt. Nun ist offenbar, daß, wenn ich eine Linie in Gedanken ziehe, oder die Zeit von einem Mittag zum andern denken, oder auch nur eine gewisse Zahl mir vorstellen will, ich erstlich nothwendig eine dieser mannigfaltigen Vorstellungen nach der andern in Gedanken fassen müsse. Würde ich aber die vorhergehende (die erste Theile der Linie, die vorhergehende Theile der Zeit, oder die nach einander vorgestellte Einheiten) immer aus den Gedanken verlieren, und sie nicht reproduciren, indem ich zu den folgenden fortgehe, so würde niemals eine ganze Vorstellung, und keiner aller vorgenanten Gedanken, ia gar nicht einmal die reineste und erste Grundvorstellungen von Raum und Zeit entspringen können.

 Die Synthesis der Apprehension ist also mit der Synthesis der Reproduction unzertrenlich verbunden. Und da iene den transscendentalen Grund der Möglichkeit aller Erkentnisse überhaupt (nicht blos der empirischen, sondern auch der reinen a priori) ausmacht, so gehört die reproductive Synthesis der Einbildungskraft zu den transscendentalen Handlungen des Gemüths und in Rücksicht auf dieselbe, wollen wir dieses Vermögen auch das transscendentale Vermögen der Einbildungskraft nennen.



3. Von
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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_102.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)