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Voltaire: Kandide. Erster Theil

nach Buenosayres, das meine Schwester eben verlassen hatte, und warf mich daselbst in’s Gefängnis.

Ich bat um Erlaubnis, nach Rom zum Pater General gehn zu dürfen. Man fand’s aber für gut, mich nach Konstantinopel zu schikken, um bei dem dortigen Französischen Ambassadeur Kapellansstelle zu vertreten. Ich hatte noch nicht völlig acht Tage diese Bestallung gehabt, als mir des Abends ein ungemein wohlgebildeter junger Itschoglan[1] aufsties. Erstaunlich schwul war’s den ganzen Tag über gewesen, der junge Mann wollte sich baden, ich nam die Gelegenheit wahr, und badete mich mit.

Ich wusste nicht, daß der Hals darauf stand, wenn ein Christ mit einem jungen Muselmann zusammen in puris naturalibus betroffen wird. Ein Kadi, der mich vor sich bringen lies, sagte mir dies, lies mir hundert Stokprügel auf die Fussohlen geben, und verdammte mich – aus ungemeiner Milde – zu den Galeeren. Himmelschreiendere Ungerechtigkeit, glaub’ ich, ist wohl nie begangen worden … Aber ich bitte Euch, Kandide, sagt mir, warum befindet sich


  1. Itschoglan, Pagen, oder Hofjunker des Sultans. Ein Mehrers von ihnen sieh im Anhange.
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Voltaire: Kandide. Erster Theil. Berlin: Christian Friedrich Himburg. 1782, Seite 187. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kandide_(Voltaire)_187.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)