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Voltaire: Kandide. Erster Theil

erzogen werden, da sie Gold und Edelgesteine so frühzeitig verachten lernen. Kakambo stuzte diesmal so sehr wie sein Herr. Endlich kamen sie an das erste Haus im Dorfe, völlig gebaut wie ein Europäischer Pallast. Ein buntes Gewühl von Menschen war vor der Thüre, inwendig ein noch bunters. Die melodischte Musik scholl ihnen entgegen, der lieblichste Geruch duftete aus der Küche her.

Kakambo, der vorangegangen war, hörte das man darin Peruisch sprach; das war seine Muttersprache. Kakambo war, wie die Welt weis, aus Tukuman; ein Dorf, wo man keine andre Sprache kennt. Ich will Ihr Dolmetscher sein, sagte er zum Kandide. Lassen Sie uns h’reingehn. ’S is ’n Wirtshaus.

Zwei junge Gesellen und zwei junge Dirnen, Aufwärter im Gasthofe, mit Goldstük angethan und das Haar mit Band aufgeflochten, nötigten sie sogleich an die Wirtstafel. Man trug vier Potagen auf; jede war mit zwei Papageien garnirt, einem gesottnen Kuntur von zweihundert Pfund und zwei gebratnen Affen von treflichem Wolgeschmak. Man sezte dreihundert Kolibris in Einer Schüssel auf, und sechshundert Fliegenfänger in einer andern, und die köstlichsten Ragouts und Pasteten und das niedlichste Gebakne. Das alles lag auf Schüsseln, von einer Art Bergkristall

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Voltaire: Kandide. Erster Theil. Berlin: Christian Friedrich Himburg. 1782, Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kandide_(Voltaire)_095.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)