Seite:Kandide (Voltaire) 055.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Voltaire: Kandide. Erster Theil

wie diese Herren Seeräuber. Doch nam mich dies nicht so Wunder, als daß sie uns insgesamt einen Ort durchfingerten, dem wir Weiber uns gemeiniglich nur mit der Klistiersprüze zu nahe kommen lassen.

Nie aus meinen vier Pfälen gekommen, däuchte mir der Brauch ganz sonderbar. Ich erfuhr bald zu was Ende dies geschahe; sie wollten wissen, ob wir nicht daselbst einige Diamanten verstekt hätten. Das ist uralte Sitte bey allen gebildeten Völkerschaften, die auf der See umhertreiben. Machen’s doch die Herren Maltheserritter nicht besser, wenn sie Türken und Türkinnen gefangen bekommen und sind Geistliche. Dies Gesez des Völkerrechts wird stets beobachtet.

Wie peinlich, wie zu Boden drükkend es für eine junge Prinzessin sein mus, mit ihrer Mutter als Sklavin nach Marokko geführt zu werden, brauch’ ich Ihnen nicht erst zu sagen; Sie können Sich’s leicht vorstellen, so wohl als die Leiden, die wir auf dem Raubschiffe auszustehn hatten.

Meine Mutter war noch sehr schön, unsre Hofdamen, sogar die blossen Kammerweiber, besassen mehr Reize, als in ganz Afrika zu finden sind. Und ich hatte all die entzükkende Schönheit, war mit all’ der Lieblichkeit, dem namenlosen Zauber umflossen, womit Mutter Eva aus

Empfohlene Zitierweise:
Voltaire: Kandide. Erster Theil. Berlin: Christian Friedrich Himburg. 1782, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kandide_(Voltaire)_055.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)