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Voltaire: Kandide. Erster Theil

nicht, sagte Kandide, er sollte alles in’s Reine bringen, denn er war ein grosser Philosoph. In Ermanglung seiner, müssen wir schon die Alte um Rat fragen.

Sie war ein gar kluges Weib, und eben begann sie ihre Meinung zu sagen, als sich ein andres Thürlein öfnete. Es war eine Stunde nach Mitternacht, der Sonntag brach an. Dieser Tag gehörte dem Herrn Inquisitor. Ihro Hochwürden Gnaden traten herein, sahen den gestäupten Kandide mit dem Degen in der Hand, einen todten Leichnam auf der Erde liegen; Kunegunden todtenblas und bebend, und die Alte die mit ihrem guten Rat herausrükte; und blieben starr angewurzelt stehn an der Thürschwelle, ohne alle Besinnung; um so mehr Besonnenheit und Überlegungskraft hatte Kandide.

Ha! dacht’ er, ruft der heilige Mann Hülfe, so werd’ ich ganz unfehlbar verbrant und auch Kunegunde. Er hat mich unbarmherzig geisseln lassen, ist mein Nebenbuler; im Morden bin ich einmal, und jezt gilt’s.

Wie beschlossen, so gethan. Der Inquisitor lag, den Degen bis an’s Heft in die Brust, neben dem Juden, eh’ er sich hatte besinnen können. Immer besser, rief Kunegunde. Nun sind wir unwiederbringlich verloren! Bannfluch und Tod schweben über uns. Kandide,

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Voltaire: Kandide. Erster Theil. Berlin: Christian Friedrich Himburg. 1782, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kandide_(Voltaire)_045.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)