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Voltaire: Kandide. Erster Theil

war. Binnen einem Vierteljahr war all’ sein Geldchen fort und er meiner überdrüssig. Er verkaufte mich an den Don Isaschar, einen Juden, der nach Holland und Portugall handelte, und ein ungemeiner Liebhaber von Frauenzimmern war.

Wie der Mann an mir hing, wie er mit Bitten und Gewalt in mich drang, und doch konnt’ er nicht siegen. Ich that ihm tapfrern Widerstand als dem Bulgarischen Soldaten. Ein rechtschaffenes Mädchen kann wohl einmal geschändet werden, aber dadurch wird sie um so mehr Lukrezia. Um mich zahmer zu machen, führte mich der Jude auf dies Landhaus hier. Ich hatte bisher geglaubt, es gäbe kein schönres Schlos, als das unsrige; nunmehr wurd’ ich eines Bessern belehrt.

Eines Tages ward mich der Großinquisitor in der Messe gewahr, er warf während des hohen Amts die lüsternsten, buhlendsten Blikke auf mich, und lies mir melden, er hätte mir etwas unter vier Augen zu sagen. Ich ward in seinen Pallast gebracht, entdekte ihm meine Herkunft; er stellte mir vor, wie weit es unter meinem Range wäre, einem Schuft von Juden zuzugehören, und lies dem Don Isaschar den Vorschlag thun, mich Ihre Hochwürden Gnaden abzutreten. Dazu wollte sich Don Isaschar

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Voltaire: Kandide. Erster Theil. Berlin: Christian Friedrich Himburg. 1782, Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kandide_(Voltaire)_039.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)