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Haben lange ohne Feuer
In der Finsterniß gestecket;
Jetzo haben wir die Absicht,
Daß das Feuer wir erspähen,
Welches von dem Himmel stürzte,

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Von dem Wolkensaum gefallen.“

     Diese Antwort gab die Jungfrau,
Redet’ selber diese Worte:
„Mühvoll ist es aufzufinden,
Schwer die Flamme zu erspähen,
Hat schon Thaten ausgeführet,
Frevel schon die Flamm’ geübet;
Hastig eilt des Feuers Funken,
Fiel herab der rothe Tropfen
Aus des Schöpfers großen Fluren,

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Wo es Ukko angeschlagen,

Durch den flachgebahnten Himmel,
Durch der Lüfte schöne Räume,
Durch das rußbedeckte Rauchloch,
Längs den trocknen Dachessparren
In die neue Stube Tuuri’s,
In Palwonen’s unbedeckte.“
     „Als er daselbst angekommen,
In der neuen Stube Tuuri’s,
Macht er sich an schlechte Thaten

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Und beginnet bösen Frevel,

Wüthet gegen Mädchenbusen,
Zehret an der Jungfrau Brüsten,
Tobet an dem Knie der Knaben,
Senget ab den Bart des Wirthen.“
     „Säugt daselbst ihr Kind die Mutter
In der Wiege voller Elend,
Dahin eilet selbst das Feuer,
Übet bösen Frevel dorten,
Brennt das Kind dort in der Wiege,

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Sengt die Brüste von der Mutter,

Daß das Kind nun nach Manala,
In Tuoni’s Reich gelangte,
Da zum Sterben es geschaffen,
Zu dem Untergang bestimmet,
In der Qual durch rothes Feuer,
In den Schmerzen durch die Flamme.“
     „Größ’res Wissen hatt’ die Mutter,
Eilte nicht mit nach Manala,
Wußte, wie man Feuer bannen,

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Wie die Flamme treiben könnte

Durch der Nadel kleines Auge,
Durch die Öffnung an dem Beile,
Durch das heiße Loch der Haue,
An dem Saume von dem Felde.“
     Wäinämöinen alt und wahrhaft
Fragte darauf recht geschwinde:
„Wohin ging von hier das Feuer,
Wohin eilte rasch der Funke
Von dem Saum des Tuurifeldes,

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Zu dem Walde oder Meere?“

     Gab das Weib ihm diese Antwort,
Redet selber diese Worte:
„Als von hier das Feuer eilte,
Als die Flamme weiter schlüpfte,
Brannte sie zuerst viel Felder,
Viele Felder, viele Sümpfe,
Stürzte endlich in das Wasser,
In die Fluth des Sees Alue;
Dieser wallet auf vom Feuer,

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Feurig glänzet sein Gewässer.“

     „Dreimal in der Nacht des Sommers,
Neunmal in der Nacht des Herbstes
Schäumt er zu der Fichten Ebne,
Hebt er sich zum jähen Ufer
Durch die Kraft des wilden Feuers,
Durch Gewalt der heißen Flamme.“
     „Schäumt aufs Trockne seine Fische,
Seine Barsche auf die Klippen,
Dorten schau’n sich um die Fische,

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Überlegen dort die Barsche,

Wie zu sein und wie zu leben;
Barsche weinen nach dem Wohnsitz,
Fische nach dem lieben Hofe,
Nach der Felsenburg der Kaulbarsch.“
     „Ging der Barsch mit krummem Nacken,
Haschte nach des Feuers Funken,
Nicht konnt’ ihn der Barsch erhaschen,
Ging darauf der blaue Schnäpel,

Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 276. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_276.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)