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Mit dem Winde in den Segeln?“
     Antwort gab das Boot aus Planken,

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So der hakenreiche Nachen:

„Laufet ja mein Stamm, der ganze,
Alle meine Brüder Böte
Durch das Rudern mit den Fingern,
Durch die Hülfe von den Rudern,
Von dem Steuer fortgelenket,
Mit dem Winde in den Segeln.“
     Ließ der alte Wäinämöinen
Nun sein Roß dort auf dem Sande,
Hing an einen Baum die Halfter,

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Band die Zügel dort an Zweige,

Stieß den Nachen in das Wasser,
Sang das Boot hin auf die Fluthen,
Fragte von dem Boot aus Planken,
Redet’ Worte solcher Weise:
„O du Boot mit schöner Wölbung,
Hölzern Boot mit Ruderhaken!
Bist du schön auch um zu tragen,
Wie du schön bist anzuschauen?“
     Antwort gab das Boot aus Planken,

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Redet’ so das hakenreiche:

„Bin gar schön auch um zu tragen,
Fasse wohl auf meinem Boden
Hundert Männer, wenn sie rudern,
Stille sitzend wohl ein Tausend.“
     Fing der alte Wäinämöinen
Darauf leise an zu singen,
Sang auf eine Seit’ des Bootes
Jünglinge mit schönen Haaren,
Schönen Haaren, starken Fäusten,

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Krafterfüllte Stiefelträger;

Sang zur andern Seit’ des Bootes
Mädchen zinngeschmückt am Haupte,
Zinngeschmückt mit Kupfergürtel,
Schöngeziert mit goldnen Ringen.
     Wäinämöinen singet ferner
Voll die Bretter da mit Männern,
Voll mit lauter alten Leuten,
Die ihr Leben lang gesessen,
Singt sie hin wo wenig Platz war,

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Da die Jungen früher kamen.

     Selber setzt er sich an’s Ende,
An den Hinterstamm von Birken,
Steuerte sein Schifflein rastlos,
Redet Worte solcher Weise:
„Lauf’ auf baumentblößten Strecken,
Durch das Wasser nun, o Nachen,
Lauf’ gleich einem Wasserbläschen,
Wie ein Blümlein auf den Wogen!“
     Ließ die Jünglinge dann rudern,

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Ließ die Mädchen stille sitzen;

Emsig rudern zwar die Jungen,
Doch der Weg will nicht entschwinden.
     Ließ die Mädchen darauf rudern,
Ließ die jungen Männer sitzen;
Kräftig rudern zwar die Mädchen,
Doch der Weg will nicht entschwinden.
     Ließ die Alten darauf rudern,
Ließ die jungen Männer schauen;
Kräftig rudern zwar die Alten,

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Doch der Weg will nicht entschwinden.

     Darauf setzt Schmied Ilmarinen
Selbst sich hin um nun zu rudern,
Da erst lief das Boot von Planken,
Lief das Boot, der Weg entschwindet,
Weithin tönt der Schlag der Ruder,
Weit der Ruderhaken Kreischen.
     Ruderte mit starkem Brausen,
Bänk’ und Seitenbretter schwankten,
Ebereschenruder stöhnten,

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Ihre Stiele gleich dem Feldhuhn,

Ihre Blätter gleich dem Birkhuhn,
Vorne lärmt das Boot gleich Schwänen,
Hinten krächzet es gleich Raben
Und die Ruderhaken schnattern.
     Selbst der alte Wäinämöinen
Lenkte plätschernd nun den Nachen
An des rothen Bootes Ende,
Sitzend an dem Steuerruder;
Eine Landspitz’ kam zum Vorschein,

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Sichtbar ward ein Dorf gar elend.

Auf der Landzung’ weilte Ahti,

Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 232. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_232.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)