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Du die Heerde überschauet,
Dann enteile rasch von dannen,
Stürme gleich dem Schnee zum Hause!
Drinnen weinet schon ein Kindlein,
Wimmert dorten in dem Bette,
Sprechen kann ja nicht das Arme,

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Sagen nicht das Sprachberaubte,

Ob es frieret oder hungert,
Ob ihm etwas zugestoßen,
Ehe die Bekannte kommet,
Eh’ der Mutter Stimme hörbar.“
     „Kommst du darauf in die Stube,
Komm selbvierte du in’s Zimmer:
In der Hand ein Wasserfäßlein,
In dem Arm ein Blätterbesen,
In dem Mund ein Feuerhölzchen,

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Selber bist du dann die vierte!“

     „Kehre dann des Bodens Bretter;
Kehre du der Tische Flächen,
Schütte Wasser auf die Bretter,
Schütt’ es nicht zum Kopf des Kindes;
Siehst ein Kind du auf dem Boden,
Wenn es auch ein Kind der Schwägrin,
Hebe du es auf ein Bänklein,
Wasch die Augen, glätt’ die Haare,
Gieb ein Brötlein in die Hände,

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Streiche Butter auf das Brötlein,

Ist kein Brötlein in dem Hause,
Gieb ihm in die Hand ein Spänchen!“
     „Willst du dann die Tische waschen,
Spätestens am Schluß der Woche,
Wasch die Fläche, wasch die Seiten,
Darfst die Füße nicht vergessen,
Übergieß die Bänk’ mit Wasser,
Kehre ordentlich die Wände,
Nach der Reihe alle Bänke,

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Nach der Länge alle Wände!“

     „Was an Staub sich auf den Tischen,
An den Fenstern angesetzet,
Kehre emsig mit dem Flügel,
Wisch ihn mit dem Wasserlappen,
Daß der Staub sich nicht verbreite,
Nicht zur Decke sich erhebe!“
     „Kehr’ den Ruß dann von der Decke,
Schabe fleißig ab die Schwärze,
Denke an die Schornsteinstützen,

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Darfst die Sparren nicht vergessen,

Daß die Stube man erkenne,
Sie für einen Wohnort halte!“
     „Höre, Jungfrau, was ich spreche,
Was ich spreche, was ich sage,
Gehe nimmer ohne Kleidung,
Nie vom Tuche unbedecket,
Schreite niemals ohne Leintuch,
Niemals gehe ohne Schuhe,
Sehr verdrießen würd’s den Gatten,

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Murren würde dein Geliebter!“

     „Hüte du mit großer Sorgfalt
Auf dem Hof die Ebereschen!
Schön sind diese Ebereschen,
Schön der Ebereschen Zweige,
Schönes Laub in diesen Zweigen,
Schöner noch darin die Beeren,
Mittelst welcher man die Jungfrau,
Man die Schutzberaubte anweist,
Daß sie nach dem Sinn des Mannes,

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Nach des Gatten Herzen lebe.“

     „Habe Ohren wie die Mäuse,
Rasche Füße wie die Hasen,
Beuge deinen jungen Nacken,
Schwing dich mit dem schönen Halse,
Wie der wachsende Wachholder,
Wie des Elsbeerbaumes Wipfel!“
     „Mögest du stets fleißig wachen,
Fleißig wachen und dich hüten,
Daß du nimmer niederstürzest,

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Nicht der Länge nach zum Ofen,

Nicht auf deine Kleider sinkest,
Nicht auf’s Bett dich niederstreckest!“
     „Von dem Pflügen kommt der Schwager,
Aus dem Vorrathshaus der Schwäher,
Von dem Arbeitsplatz dein Gatte,
Von dem Fällen dein Geliebter,
Bringe rasch das Wasserfäßlein,

Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_135.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)