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Daß es nicht mit Füßen schlage,

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Wenn den Rücken er ihm streichelt.

     Lemminkäinen voller Frohsinn
Redet selber diese Worte:
„Herr des Waldes, Wirth des Landes,
Schönes Wesen auf den Fluren,
Mielikki, des Waldes Mutter,
Gabenmutter in dem Walde!
Komm herbei das Gold zu nehmen,
Komm das Silber auszuwählen,
Lege auf die Erd’ dein Leintuch,

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Breite aus dein feines Tüchlein,

Unter diesem hellen Golde,
Unter diesem schönen Silber,
Daß es nicht zur Erde falle,
Nicht in Schmutz verstreuet werde!“
     Darauf ging er nach dem Nordland,
Sprach als er dorthin gekommen:
„Hab’ das Hiisi-Elenn endlich
Von dem Hiisifeld gefangen,
Gieb, o Alte, deine Tochter,

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Gieb die Jungfrau mir zur Gattin!“

     Louhi, Nordlands alte Wirthin,
Gab zur Antwort solche Worte:
„Dann erst geb’ ich meine Tochter,
Dir zur Gattin dann die Jungfrau,
Wenn du Zügel hast dem Rosse,
Angelegt dem rothen Renner,
Hiisi’s schaumbedecktem Füllen
Auf des Hiisifeldes Gränzen.“
     Nahm der muntre Lemminkäinen

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Seine schönen goldnen Zügel,

Nahm die Halfter, die aus Silber,
Gehet hin das Roß zu suchen,
Aufzuspüren das Bemähnte
Von des Hiisifeldes Gränzen.
     Schreitet hastig fort des Weges,
Geht behende von der Stelle
Zu den grünen Ackerfluren,
Zu des heil’gen Feldes Gränzen,
Suchet dorten nach dem Rosse,

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Suchet nach dem Starkbemähnten,

Hat im Gurt des Rosses Zügel,
Auf der Schulter seine Riemen.
     Suchte einen Tag, den zweiten,
Endlich an dem dritten Tage
Stieg er hin zum großen Berge,
Klettert auf des Steines Rücken,
Wirft die Blicke hin nach Osten,
Wendet seinen Kopf zur Sonne,
Sieht das Roß dort auf der Heide,

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In den Föhren das Bemähnte,

Feuer sprühet aus den Haaren,
Rauch erhebt sich von den Mähnen.
     Also redet Lemminkäinen
„Ukko, du, o Gott dort oben,
Ukko, der die Wolken lenket,
Der die Lämmerwolken leitet!
Öffne du des Himmels Wölbung,
Du die ganze Luft wie Fenster,
Lasse Eisenhagel fallen,

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Lasse Eisesklumpen regnen

Auf des guten Rosses Mähnen,
Auf des Hiisi-Weißstirns Rücken!“
     Ukko, er, der Schöpfer oben,
Er, der auf der Wolke wohnet,
Riß die Luft nun von einander,
Brach entzwei des Himmels Wölbung,
Regnet Reif und Eisesschollen,
Regnet Schlossen, die von Eisen,
Kleiner als der Kopf des Rosses,

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Größer als der Kopf des Menschen,

Auf des guten Rosses Mähnen,
Auf des Hiisi-Weißstirns Rücken.
     Ging der muntre Lemminkäinen
In die Nähe um zu sehen
Um genau es zu betrachten,
Sprach dann selber diese Worte:
„Gutes Roß des Hiisilandes,
Schäumend Pferd des großen Berges,
Bringe deine goldne Schnauze,

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Stecke nun dein Haupt von Silber

In die schönen goldnen Ringe,
In die silberreichen Zügel!

Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_072.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)