Eilet auf des Bodens Mitte,
Redet selber diese Worte:
„Früher war ein Hund vorhanden,
War ein Welp von Eisenfarbe,
Freund von Fleisch, ein Knochenbeißer,
Wer denn bist du von den Männern,
Wer wohl aus der Zahl der Helden,
Daß du in die Stub’ gekommen,
In die Wohnung eingedrungen,
Von dem Hunde ungehöret,
Von dem Bläffer nicht gewittert!“
Sprach der muntre Lemminkäinen:
„Bin fürwahr nicht hergekommen
Ohne Kunst und ohne Wissen,
Ohne Zaubermacht vom Vater,
Ohne Vorsicht von den Vorfahrn,
Daß mich deine Hunde fressen,
Mich die Bläffer packen sollten.“
„Meine Mutter hat gewaschen
Mich als schwachen, kleinen Knaben
Dreimal in der Nacht des Sommers,
Neunmal in der Nacht des Herbstes,
Daß auf jedem Weg ich kundig,
Wie zu Hause kräftig singe,
So auch außerhalb des Hauses.“
Selbst der muntre Lemminkäinen,
Er, der schöne Kaukomieli,
Fing nun selbst an zu beschwören,
Stimmte an die Zauberlieder,
Feuer sprüht der Saum des Pelzes,
Flammen glänzten in den Augen
Bei dem Sange Lemminkäinen’s,
Sang die allerbesten Sänger
Zu den allerschlechtsten Sängern,
Stopft den Mund ganz voll mit Steinen,
Stapelt Felsen auf die Fläche
Diesen allerbesten Sängern,
Den geschicktesten der Zaubrer.
Bannte drauf die stolzen Männer,
Diesen hierhin, jenen dorthin
Auf die schößlingsarmen Fluren,
In die Seeen ohne Fische,
Wo die Barsche nimmer weilen,
Nach dem wilden Rutjafalle,
In den flammenreichen Wirbel,
In die schaumbedeckten Flüsse,
Zu des Wasserfalles Steinen,
Um als Feuer dort zu brennen,
Um als Funken dort zu knistern.
Selbst der muntre Lemminkäinen
Sang die Helden sammt den Waffen,
Sang die Alten, sang die Jungen,
Sang die Mittlern auch in Zauber,
Einen ließ er unbezaubert,
Einen schlechten Heerdenhüter,
Einen Alten ohne Augen.
Naßhut, er, der Heerdenhüter,
Redet selber solche Worte:
„O du muntrer Lemminkäinen,
Hast die Mittlern festgesungen,
Weshalb willst du mich verschonen?“
Sprach der muntre Lemminkäinen:
„Deshalb hab’ ich dich verschonet,
Weil du elend bist zu schauen,
Schändlich ohne meinen Zauber,
Hast du doch in jungen Jahren
Als ein Hirte voller Bosheit
Deiner Mutter Beer’ verletzet,
Alle Pferde du verdorben,
Alle Füllen abgemattet
Auf den Sümpfen, auf den Feldern,
Auf dem Boden voller Schwankung.“
Naßhut, er, der Heerdenhüter,
Ward gar hitzig und verdrießlich,
Schreitet durch die Thür nach außen,
Längs des Hofes zu dem Felde,
Lief zum Fluß des Todtenlandes,
Lauert dort auf Kaukomieli,
Wartet dort auf Lemminkäinen,
Bis er aus dem Nordland wieder
Nach der lieben Heimath kehret.
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 64. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_064.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)