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und so ständ ich nicht vor euch und klagte auf alle, mir unbegreiflichen, Gräuel der Hölle. Was soll ich vorbringen, wenn ihr mich fragt, durch welche Mittel? Hat er sie am Brunnen getroffen, wenn sie Wasser schöpfte, und gesagt: Lieb Mädel, wer bist du? hat er sich an den Pfeiler gestellt, wenn sie aus der Mette kam, und gefragt: Lieb Mädel, wo wohnst du? hat er sich, bei nächtlicher Weile, an ihr Fenster geschlichen, und, indem er ihr einen Halsschmuck umgehängt, gesagt: Lieb Mädel, wo ruhst du? Ihr hochheiligen Herren, damit war sie nicht zu gewinnen! Den Judaskuß errieth unser Heiland nicht rascher, als sie solche Künste. Nicht mit Augen, seit sie gebohren ward, hat sie ihn gesehen; ihren Rücken, und das Maal darauf, das sie von ihrer seeligen Mutter erbte, kannte sie besser, als ihn. (er weint.)

GRAF OTTO (nach einer Pause). Und gleichwohl, wenn er sie verführt hat, du wunderlicher Alter, so muß es wann und irgendwo geschehen sein?

THEOBALD. Heiligen Abend vor Pfingsten, da er auf fünf Minuten in meine Werkstatt kam, um sich, wie er sagte, eine Eisenschiene, die ihm zwischen Schulter und Brust losgegangen war, wieder zusammenheften zu lassen.

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Heinrich von Kleist: Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe, ein großes historisches Ritterschauspiel. Berlin: Realschulbuchhandlung, 1810, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kaethe_(Kleist)_011.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)