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Das Lesen wird vermittelst langer Stäbe gelehrt, auf deren jedem ein Buchstabe steht, und die dann neben einander gestellt, zu einzelnen Silben, endlich zu Wörtern vereinigt werden.

Aber das Bewundernswürdigste von Allem, was ich sah, waren und blieben mir die mathematischen Figuren, welche die Knaben aus freier Hand hinzeichneten, ohne Lineal, ohne Zirkel, ohne Winkelmaß, ohne Alles, was man sonst für unentbehrlich hält, nichts außer dem Bleistift in der Hand und Nähe. In diesem Hause würde Giotto[WS 1] sich gewiß nicht durch das Hinzeichnen eines durchaus fehlerlosen regelmäßigen Kreises aus freier Hand, als den größten Maler seiner Zeit, der er war, zu erkennen gegeben haben, wie Vasari[WS 2] von ihm erzählt; ein halb Dutzend noch nicht zehnjähriger Knaben wären ohne Mühe zu finden gewesen, die es ihm hierin gleich zu thun vermochten. Auch beim Zeichnen wird hier mit dem Uranfange jeder Figur, mit der geraden Linie, der Unterricht begonnen; erst wenn sie eine solche mit fester freier Hand hervorzubringen im Stande sind, gehen die Kinder zu andern komplicirten über. Indem sie weiter schreiten, lernen sie die technische Benennung der verschiedenen mathematischen Figuren, aus denen sie dann andere zusammensetzen,

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Giotto di Bondone (* 1267 (?); † 8. Januar 1337)
  2. Giorgio Vasari (* 30. Juli 1511; † 27. Juni 1574)
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Johanna Schopenhauer: Jugendleben und Wanderbilder. Band 2. Georg Westermann, Braunschweig 1839, Seite 206. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jugendleben_und_Wanderbilder_II_206.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)