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Ohnmächtig sank er zusammen, als die Befreier in seine Jammerhöhle drangen und ihn hinaustrugen in die laute lichtvolle Welt. Als er aus langer starrer Bewußtlosigkeit erwachte, lastete die frische freie Luft mit Zentnerschwere auf seiner eingeengten keuchenden Brust; das seit funfzig bis sechzig Jahren nicht gesehene Tageslicht war seinen gelähmten Augen die quälendste Folter, jeder Ton, der sein an lautlose Grabesstille gewöhntes Ohr traf, versetzte ihn in peinlichste Furcht.

Aengstlich, zitternd, wimmernd, mit gebrochner kaum vernehmlicher Stimme flehte er seine Befreier an, ihn wieder hinunter zu schaffen in seine düstere Wohnung, wand sich, winselte, ächzte und entschlummerte.

Der Namenlose fand ein namenloses Grab, nach einer nicht mehr zu berechnenden Anzahl in qualvollster Gefangenschaft vollbrachter Jahre, konnte nur dieses vor der Pein des ihm neu aufgedrungenen Lebens ihn bergen. So stirbt ein dem Hungertode Geweihter an Nahrungsmitteln, die nach zu langem Entbehren ihm tödtlich werden, statt ihn zu erquicken.

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Johanna Schopenhauer: Jugendleben und Wanderbilder. Band 2. Georg Westermann, Braunschweig 1839, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jugendleben_und_Wanderbilder_II_022.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)