Seite:Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft 1 (1843).pdf/374

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

der übrigens Allerbilligste und Gerechteste ist geneigt zu vergessen, ja manchmal vergisst er wirklich gänzlich sogar das erste Gebot der ewigen, unwandelbaren Gerechtigkeit“ (S. 30). — „Mich schreckte nie unsere kleine Zahl; doch fürchtete ich mich desto mehr aus dieser Ursache — und dies muss endlich gesagt werden — weil die sowohl materielle, als geistige Existenz unseres Geschlechtes so sehr leicht ist, weil unser Gewicht so sehr klein ist“ (S. 34). — „Es gibt auf dieser Welt auch unveräusserliche Eigenheiten, welche feil zu bieten verboten sind“ (S. 37). Ja wohl! Möchten das doch jene Renegaten aus slawischem und deutschem Geblüte nicht vergessen, welche durch ihren Uebertritt und die Veranlassung dazu sich die Verachtung ihres Stammvolkes so wie der Magyaren mit Recht zuziehen“ (S. 37). — „Unser Blut ist wirklich jung, zweifelsohne sehr jung; denn es mangelt ihm ja an keinem einzigen Fehler der Jugend, und dies ist sein einziges aber auch durch Nichts zu ersetzendes Kleinod, seine Entwickelbarkeit. “ Und — nicht zu vergessen — unser Trost.

 Ungarns Verfassung. Beurtheilt von Dr. J. Wildner von Maithstein. Lpzg. 1843, Otto Wigand. VI und 130 S. Ein zur Kenntniss der ungarischen Verhältnisse sehr zweckmässig eingerichtetes Buch. Der erste Abschnitt: „Die ungarische Verwaltung, so weit sie eine Basis der ungarischen Verfassung ist,“ und der zweite Abschnitt: „Die Verfassung (d. i. der gesetzgebende Körper) des Königreichs Ungarns“ setzen Denjenigen, welcher fern von Ungarn die Staatsmaschine nicht in der Nähe zu betrachten Gelegenheit hatte, in 40 §§. in den Stand, sich einen deutlichen Begriff von derselben, wenigstens in ihren hervorstechendsten Zügen, zu machen. Es ist dies um so werthvoller und verdienstlicher, weil gegenwärtig sehr viele Menschen über die immer wichtiger werdenden Zustände in Ungarn berichten, ohne von dem Regierungssysteme des Landes erschöpfende Kenntniss zu haben. Uns hat besonders der dritte Abschnitt von Interesse geschienen, in welchem der Verf. seine Ansichten über die Zweckmässigkeit der ungarischen Verfassung ausführlich darlegt. Seine Kenntniss der Staatsurkunden des Landes setzt ihn nicht selten in den Stand, von vielen in der neuesten Zeit fast gesetzlich gewordenen Gewohnheiten zu beweisen, dass sie den früheren, durch keinen Reichstagsbeschluss abrogirten Staatsgrundgesetzen geradezu widersprechen und mithin eine Gewaltthätigkeit gegen die Betheiligten sind. Zu solchen Gewohnheiten gehört z. B. das Bestreben der Deputirtentafel, den Abgesandten der Kapitel und der Magnaten, den Jazygen- und Kumanenbezirken und den Städten nicht Einzelnvota, sondern nur einem jedem Stande eine Kollektivstimme zuzugestehen; dann die Bemühung, den Personal (den Präsidenten der Deputirtentafel) zu zwingen, die Stimmen zu zählen und seinen Ausspruch nicht nach den Ansichten der sanior pars zu bestimmen u. A. m. Der Verf. vergleicht (eine Lieblingsgewohnheit Aller aus Ungarn Schreibenden) Ungarns Verfassung mit der Englands. Die Aehnlichkeit ist ausserordentlich und dennoch der Unterschied in den Wirkungen so ungeheuer. Woher das? fragt der Verf. An der Regierung liegt es nicht, sondern in den „Accessorien dieser Verfassung“ muss man den Grund hiervon suchen. Der Fehler ist „das innigste Verwebtsein der Verwaltung mit der Verfassung“ (gesetzgebenden Gewalt), wodurch die Befolgung der Gesetze in Zweifel gesetzt, die Bestrafung aber oft unmöglich gemacht wird. Weiter werde der Adel unbedingt, ohne Rücksicht auf Besitz, zur Wahl der Abgeordneten zugelassen; der niedere Bildungsgrad, die Leidenschaftlichkeit dieser ungeheuern Masse habe die schädlichsten Folgen; die „Cortez“ werden mit Geld, mit Gastereien und Getränken beherrscht und folgen jedem Führer. Die Wahlfähigkeit habe zu weite Grenzen; die Nachkommen der Magnaten dürfen ohne Weiteres auf dem Reichstage erscheinen und bringen mit ihrer jugendlichen Phantasie und kecken Ungeduld die grössten Unordnungen und Unzweckmässigkeiten zu Stande.

Empfohlene Zitierweise:
J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 363. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/374&oldid=- (Version vom 14.2.2021)