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kein bösses Wort weiter davon! Es ist der Rede und der Feder nicht werth [1].

In Beilstein giebt es auch ein Mönchskloster von dem Orden der beschuhten Karmeliten. Diess Kloster hat eine schöne Lage auf einem Berge hinter dem Dorfe, und ist gut genug gebaut.

  1. Die Heuren von der ehemahligen Regierung der Herrschaft Beilstein thun Unrecht, wenn sie hier Expectorationen über ihre Amts-Führung erwarten, ob mir das gleich weiter keine Mühe gekostet hätte, als meine Feder da in das Dintenfass zu tauchen und niederzuschreiben, was ich auf dem Herzen habe. Dass diess nicht wenig sein kann, werden sie am besten wissen, und dass ich die Beweise darüber führen kann, wissen sie eben so gut, wenn es ihnen nur ein wenig nachzudenken belieben möchte. Vielleicht schreibe ich einst die Geschichte des Grafen von METTERNICH-WINNEBURG, jetzigen Gesandten bei dem Kongresse zu Rastadt, die aber kein Seitenstück zu LAUCKHARD’s Geschichte des Rheingrafen KARL MAGNUS, in Rücksicht der Hauptperson wird. Der Graf von METTERNICH verbindet mit dem besten Willen die glänzendsten Eigenschaften eines trefflichen Herzens. So habe ich ihn, und mit mir viele Hunderte haben ihn so kennen gelernt. Man darf ihn auch keineswegs vorwerfen, dass er in der gegenwärtigen grossen Krisis sich blind gegen das grosse Anliegen der Freiheit erklärt hätte, wie es wohl Mehrere von seinem Stande ohne Rücksicht auf Nothwendigkeit, Gerechtigkeit und Zeitumstände gethan haben, und bei dem entschiedensten, glorreichsten und gerechtesten Triumpf der Nation noch täglich thun. Er hat nie den schrecklichen Grundsatz geäussert, dass ein Regent seine Gewalt von Gott habe, und allso auch nur von Gott abgesetzt werden könnte, wenn sich auch der Wille des allmächtigen Volks gegen ihn erklärt hätte, wie man das täglich von östreichischen Kathedern predigen hört. Mit seinem Willen ist nie in seinem kleinen Lande ein Menschenrecht geschändet worden. Diese Schuld, von der schon in diesen Briefen ein Mahl die Rede war (oben S. 108), trägt seine Kanzellei. Ob man aber auch eine angeborne Herzensgüte nicht zu weit treiben kann? Ich zum wenigsten halte es für Despotismus, wenn man Meuchelmörder von aller Strafe frei giebt, und dadurch der allgemeinen Sicherheit schadet, die man auch in Fez und Marokko nicht umsonst fordert. Als LUDWIG KAPET noch in Frankreich regierte, begab es sich ein Mahl, dass MARIE ANTOINETTE durch die Strassen von Paris fuhr! Die Polizei hatte eben einen Mörder festgenommen, der zufälligerweise an ihrem Wagen vorüber geführt ward. Der Mörder ersah seinen Vortheil, warf sich vor ihr nieder, und MARIE ANTOINETTE befahl, ihn auf der Stelle – frei zu lassen. Das war der schrecklichste Grad von Despotismus. Nicht etwa, weil es das Weib des Regenten that, das sich nie in Staatssachen mischen soll; nein! wenn es damahls auch LUDWIG KAPET gethan hätte, so wäre es der sträflichste Eingriff in die Rechte des Volks gewesen, das keinen Regenten besoldet, um seine Sicherheit zu stören.
    Ich weiss, dass es Leute giebt, die zur Beschönigung solcher Vorfälle immer Entschuldigungen bei der Hand haben. Ich weiss, dass man dergleichen auch wohl zum Beweise eines vortrefflichen Herzens hat anführen wollen. Ich weiss endlich, dass die Despoten-Knechte das jus aggratiandi auf das weiteste ausdehnen, und zu einem unbeschränkten Rechte der Monarchen machen. Aber ich würde dem Pastor die Hand von dem Büttel abhauen lassen, der es wagte, die Fesseln eines Mörders zu lösen, ehe nach den Gesetzen über ihn gesprochen ist.
    Traurig war es, dass man in Beilstein die hochnothpeinliche Gerichtsbarkeit als eine Last betrachtete, nicht etwa, weil es dem Justizbeamten zu beschwerlich war, einen peinlichen Prozess zu führen, von dem er nichts verstand, sondern weil die gräflichen Finanzen darunter litten. Wenn nicht auf Todesstrafe erkannt ward, sondern auf Zuchthaus, so musste der Delinquent einem benachbarten Staat übergeben werden, welches sehr kostspielig war, denn in der Grafschaft gab es weder Arbeits- und Zucht-, noch Krankenhäuser. Man liess die Verbrecher allso lieber laufen, oder jagte sie über die Grenze den Nachbarn zu.
    Man hat seit kurzem einige Mahl in den deutschen Zeitungen ausgesprengt, der Graf wäre von der grossen Republik in die Herrschaft Beilstein wieder eingesetzt worden, und hätte sogar noch zur Entschädigung 30000 Gulden erhalten. Aber ich bitte, wie kann ein deutscher Reichsstand jenseits Herrschaften besitzen, und die Revenüen davon diesseits verzehren? Das hiesse, den Adel und die Fürsten verbannen, und ihnen von aussen her unmittelbaren Einfluss verstatten. „Brüder, lasst uns das Eigenthum schützen, aber andere Besitzer desselben müssen wir haben;“ waren die goldenen Worte des Bürgers SIEYES, eines der grössten Menschen der Revolution.
    Wahrscheinlich ist in den öffentlichen Blättern eine andere Restitution mit jener verwechselt worden, denn vor ungefähr drei Jahren ist der Graf, wie ich gewiss weiss, wirklich ein Mahl restituirt worden. Damahls war aber der Plan, das jenseitige Rheinufer zu der Republik zu ziehen, noch sehr schwankend, besonders, da er an CARNOT einen erklärten Gegner hatte. Als er aber bald darauf angenommen war, so ward auch die Restitution sogleich wieder aufgehoben, und der Sequester erneuert.