Johann Nikolaus Becker: Beschreibung meiner Reise in den Departementern vom Donnersberge, vom Rhein und von der Mosel im sechsten Jahr der Französischen Republik, in Briefen an einen Freund in Paris | |
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Der Fanatismus und Aberglaube musste sich freilich hinter vier Wände verkriechen, aber hier wütet er noch immer fort, und schiesst aus dem Hinterhalte seine Bolzen. Hier opfert die schwangere Frau der unbefleckten Jungfrauschaft der sogenannten Jungfrau MARIA ihr Kerzchen heimlich; hier wird APOLLONIA’S Zahn geküsst; AGNESE’NS Schleier auf die Geburtstheile gelegt; der Hund mit HUBERT’S Schlüssel gebrannt; u. s. w. Und wie will man jetzt schon bei der gänzlichen Sittenlosigkeit der Priester das Gift entfernen, das dem schönen Geschlechte in der Ohrenbeichte gereicht wird. Man erzählte uns hier die schrecklichsten Beispiele, wie unschuldige Mädchen und züchtige Hausfrauen in dem geheiligten Beichtstuhl von geilen Pfaffen und Mönchen zur Wollust verführt werden. Unter diesen Buben behaupten die Kapuziner in Bingen und die Karmeliter in Simmern den ersten Rang, ohne der sogenannten Abteiherren zu gedenken, die ihre schändlichen Künste feiner treiben. Wenn die Beschornen und Bekutteten nun auch hier ihre Rollen ausgespielt haben, und über den Rhein gejagt werden, wie sich das von selbst versteht, so werden ihnen die Abergläubigen auch dahin nachziehen, und das Gift wird doch wenigstens mittelbar wirken.
Johann Nikolaus Becker: Beschreibung meiner Reise in den Departementern vom Donnersberge, vom Rhein und von der Mosel im sechsten Jahr der Französischen Republik, in Briefen an einen Freund in Paris. Christian Gottfried Schöne, Berlin 1799, Seite 118. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JN_Becker_-_Beschreibung_meiner_Reise_1799.pdf/144&oldid=- (Version vom 19.10.2023)