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daß ihr keinerlei Gefahr drohe, und daß ich gewillt sei, diese für mich wenig gefahrvolle Komödie in ihrem Interesse weiterzuspielen.

Dann klingelte ich nach dem Gefängniswärter und übergab ihm den offenen, adressierten Brief, der ja erst, bevor er dem Empfänger zugestellt wurde, von dem die Untersuchung führenden Kommissar durchgesehen werden mußte.

Als der Schließer verschwunden war, setzte ich mich auf den einzigen Stuhl, den es in meiner Zelle gab, und ging im Geiste nochmals die Ereignisse dieses Tages durch. Und da überkam mich plötzlich ein tiefes, tiefes Glücksgefühl. Ein gütiges Geschick hatte ja alles noch zum Besten gewendet. Trotz meiner krankhaften Angst vor der Unterredung mit dem Kommissar, trotz meiner völligen Verstörtheit war es mir doch gelungen, als Sieger aus diesem mit den schärfsten Waffen der List und Verschlagenheit geführten Kampf hervorzugehen. Ich hatte mein Wort, das ich gestern Marga gegeben, getreulich gehalten, sogar bis zur äußersten Konsequenz. – Welche Wandlung war doch mit mir in diesen letzten zwei Tagen vor sich gegangen! Nur einen einzigen Schritt war ich von dem rechten Wege abgewichen, und schon hatte eine höhere Macht dafür gesorgt, daß ich wieder zurückgedrängt wurde auf die Straße, auf der ich bisher mit meinem von so wunderlichen Wünschen, so krankhaften Neigungen zu verbrecherischen Tun erfüllten Herzen gewandelt war … Nur ein einziger Schritt abseits war es gewesen - und schon hatte ich am Rande eines Abgrundes gestanden, der mich für immer zu vernichten drohte. Ich wußte – nie mehr würde ich der

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Walther Kabel: Irrende Seelen. Leipziger Kriminalbücherverlag, Werner Dietsch Verlag, Leipzig 1919, Seite 112. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Irrende_Seelen.pdf/112&oldid=- (Version vom 1.8.2018)