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einen aus Megara gestohlenen Schwank. Ist damit die Entstehung der Komödie in Megara zugegeben? das sei ferne. Hier ist dem Aristophanes der Witz schlecht, den er gleichwohl, um die Kinder zum lachen zu bringen, anwendet wo’s ihm passt, aber weil er schlecht ist, kann er nicht aus Athen stammen. So etwas kann nur in Megara passiren. Gewiss, das ist die wahre Komikerlogik. Aber dies Megara liegt eben in der Vorstellung der Athener, diese Komödie wird nicht in Megara gespielt, sie spielt in Megara.

In Latium gab es eine volkstümliche Posse, die dem braven latinischen Bauern und Bürger in komischer Verzerrung all die ewig alten ewig jungen Krähwinkeliaden seines täglichen Lebens vorführte. Aber die Nationaleitelkeit, in Latium auch wohl die Polizei, duldet nicht, dass das eigene Wesen direct mit Verletzung des schuldigen Respects auf die Bühne gebracht werde. Und so ist denn der stereotype Schauplatz in dem kleinen oskischen, d. h. feindlichen, zudem zerstörten Atella an der campanisch-samnitischen Grenze. Dann kommen die Literarhistoriker und verkünden das merkwürdige Factum, die latinische Posse stamme eigentlich von den Oskern, aus Atella, und wohl gar, sie sei ursprünglich auch in Rom oskisch gespielt. Es braucht nicht erst ausgesprochen zu werden: die megarische Komödie ist die athenische Atellana.

Ich glaube, die Parallele springt von selbst in die Augen, so dass Mancher die verkehrten Combinationen der Grammatiker unbesehen bei Seite werfen mag; doch das geht nicht an: haben wir einmal all die schöne Welt, die antike und moderne Philologie sich erbaut hatte, in Stücke geschlagen, so müssen wir auch die Trümmer ins Nichts hinübertragen; es steht nicht zu fürchten, dass wir über all zu viel verlorne Schöne zu klagen hätten. Freilich werden wir nicht die Fable convenue, die man Litteraturgeschichte nennt, zur Vergleichung heranziehen, die behandelt alle die versprengten Notizen wie die Concordanztheologie die Evangelien: kraft einer Sorte von Theopneustie haben Aristoteles und Suidas, Marmor Parium und Etymologicum magnum alle dieselbe Anschauung gehabt, und des Historikers Scharfsinn zeigt sich darin, dass er all die versprengten Notizen einordnet, alles Rauhe mit Kalk und Gyps verstreicht um endlich zu setzen auf das weiß sein Gesicht. Es sei denn, dass er sich, wie Otfried Müller, ein Lieblingsevangelium gesucht, das seinen Principien von ursprünglichem

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diverse: Hermes. Zeitschrift für classische Philologie Bd. 9 (1875). , 1875, Seite 331. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermes_9_331.png&oldid=- (Version vom 25.2.2024)