Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

Diesem Hass nun nachzugehen erfordert die Aufgabe, die ich mir gestellt; doch ehe ich es kann, muss ich die gegebene Darstellung der megarischen Geschichte rechtfertigen, denn sie weicht von den mir bekannten antiken wie modernen Behandlungen wesentlich ab[1]. Ich zerstöre gern die Gleichförmigkeit dieses Aufsatzes: denn ohne das Hineinziehen von Dingen, die der eigentlichen Frage fern liegen, wollte es mir doch nicht gelingen, die an sich einfache Antwort zu begründen.

Ich habe von attischen Annexionsgelüsten gesprochen, schon bei der Erwerbung von Salamis. Wie ist das möglich? Verfocht nicht Perikles, da er Megara erobern wollte, ein altheiliges Recht? Wollte er nicht dem Erbfeind eine geraubte Provinz wieder abnehmen? Hatte denn nicht König Theseus, nachdem er den Landweg über den Isthmos gereinigt und unter anderen auch den greulichen Unhold Skeiron vom Felsen gestürzt, noch jenseits der krommyonischen Niederung einen Grenzstein aufgestellt, der urkundlich bezeugte, dass von da ionisches Gebiet begänne? Hatte nicht schon König Pandion bei seinem Abscheiden dem Nisos seinem Sohne die Herrschaft über Megara und Eleusis vermacht? Hatte nicht König Menestheus die Megarer vor Ilios commandirt? Waren es nicht erst die Dorer gewesen, die an Athens Eroberung durch den Opfertod des Königs Kodros verhindert, die altionische Landschaft geraubt und dorisirt, ja schließlich, wenn auch nur vorübergehend, gar die Insel Salamis, die doch Prinz Philaios dem attischen Demos vermacht, an sich gerissen hatten? Ja wohl; das ist alles so gut bezeugt, wie nur irgend zu wünschen, das hat alles in der attischen Chronik gestanden; ja, ich zweifle nicht, dass die braven Athener all das fest geglaubt haben, als sie für Perikles’ und Charinos’ Psephismata stimmten. Aber ob der Glaube der Athener des fünften Jahrhunderts für unsere Anschauung der Verhältnisse des achten und zehnten maßgebend ist, das ist eine andere Frage. Die römische Chronik ist voll von Thaten und Reden der Consuln und Tribune des vierten Jahrhunderts der Stadt, die den Optimaten und Populären des siebenten die schlagendsten Exempla bieten; die Scipionenprocesse geben ein Bild, das, wie ein Typus im alten Testament eine Heilswahrheit des neuen, die

  1. Einiges hat Welcker kl. Schr. II 280 richtig beurtheilt; ihm lag aber doch nur das Mythische im Sinn.
Empfohlene Zitierweise:
diverse: Hermes. Zeitschrift für classische Philologie Bd. 9 (1875). , 1875, Seite 322. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermes_9_322.png&oldid=- (Version vom 25.2.2024)