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vielleicht Letzte zu Ehren kommen. Die Macht der Phrase in der Kirche, der rechtgläubigen wie der sogenannten freiheitlichen blendet das Urteil und benimmt den klaren Blick. Daß nur nicht mit dem Namen Jesu sich schmückt, was nicht sein ist! Christliche Kunst, christliche Veranstaltungen, wie viel Tünche, um die Welt zu verbergen, wie viel Schein, um das Wesen zu verhüllen! Merkt doch: Christus will überall bekannt, aber nicht überall genannt sein. – Die Sünde hindert im Kampf, weil sie träge macht, indem sie freundlich an Schritt und Tritt sich anpaßt. Mit wohlfeilem Optimismus beschleunigt sie den Schritt ins Ungewisse, mit dem noch wohlfeileren Pessimismus hindert sie den Weg zum Nötigen. Es gibt auch kirchlichen Leichtsinn, der da, wo tiefgehende, innerlich verankerte Gegensätze sich regen, nur von theologischen Sondermeinungen zu reden hat, welche Eigenart der Einzelnen oder gar ein hohes Vorrecht des das Individuum auf sich stellenden Protestantismus seien. Man übersieht die breite Kluft, die allmählich sich auftut und überbrückt sie mit der Phrase von der Notwendigkeit steter Reformation, die freilich ebenso nötig als gefährlich ist. Weil das Glaubensleben sinkt, sieht man die „Religiosität“ und getröstet sich der ethischen Weltanschauung. Man verwechselt Religion mit dem religiösen Zug der Zeit in Fragen und Suchen, Anregung mit Erbauung, Ästhetik mit Heiligung und Diesseitigkeitsdienst mit praktischem Christentum. Man treibt Askese in äußeren Fragen, um nicht das „Ich“ in den Tod geben zu müssen und berauscht sich an idealistischen Träumen, was man Ruhe in Gott heißt. Zahlen und Ziffern trösten, wo doch nur Er trösten kann, und aus der Kenntnis der Geschichte wächst die nichtssagende Meinung, sie wiederhole sich selbst, auf jede Höhe folge die Tiefe, aus der wieder die Höhe sich erhebe, als ob nicht eine letzte Ebbe und ein letzter Tag komme. – Solcher leichtgeschürzte Optimismus läßt nicht gewisse Schritte tun, übersieht oder unterschätzt den Feind, sorgt nicht für gute Waffen und läßt vor dem Streit erschlaffen und matt werden.

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 Aber gefährlicher noch ist der Pessimismus eines Kämmerleinchristentums, das tatenlos, ja gar froh die Flut herankommen sieht und nimmer an die Dämme eilt, das Hoffnungslosigkeit für Frömmigkeit hält und nur so für die eigene Seele zu sorgen meint, daß es der Behütung des Bruders vergißt. – Wahrlich, man kann die Not der Kirche nicht schwer genug nehmen. In einer großen bayerischen Stadt sind in den letzten Jahren an tausend Ehen ungesegnet geblieben, eine große Schar Ungetaufter und Ununterrichteter wächst unter uns auf, das Gnadengut des heiligen Abendmahls wird weithin verachtet, die Konfirmation sinkt