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gemindert und verflacht. Aber es ist nicht Treue, wenn man scheidet, weil es schwer wird zu bleiben, sondern es ist nötig, daß man leidet, um zu siegen, und kämpft, um zu bessern. Die lutherische Kirche hat nie leichte Zeiten gehabt, – Bengel sagt wohl mit Recht, das habe sie von ihrem Vater Luther geerbt. Denn seit Christi und der Apostel Zeiten habe wohl niemand soviel Schmach und Schimpf erdulden müssen als jener, und zwar habe er es allein getragen, während die Apostel doch miteinander und aneinander sich getröstet hätten, – unsre Kirche will auch, solange und weil sie auf Erden ist, nicht leichte Zeiten haben, es ist nicht nötig, daß man in ihr glücklich ist, aber sehr nötig, daß man zu ihr und in ihr treu ist. Die Außenseite der Kirche und ihre Zerrissenheit bestaunen ist Schwäche, die nicht sehen will, ihre Innerlichkeit und geheime Schönheit verachten ist Undank, der nimmer erkennen will. Gott stärke uns den Glauben: die Eine heilige christliche Kirche bleibt Glaubensartikel. Weil Bengel durch das den Anker hinter die Erscheinung der Dinge in Jesu Zusage und Verdienst senkende Gebet überwand, konnte er Treue halten, nüchtern von dem lähmenden Pessimismus und dem knochenerweichenden und markverzehrenden Optimismus frei bleiben und um so enger mit denen zur ecclesia possidentium sich zusammenschließen, die Christi Erscheinung trotz, ja in ihrer Niedrigkeit lieb haben, „gut Freund sein mit allen, die Jesum lieb haben, und den verführten Karren der Kirche doch nicht stehen lassen“. Das Gebet ließ ihn zu einem Knechte werden, „der eben abbitten konnte, daß ihm der Herr allsogleich zehntausend Talente schenkt“ (Matth. 18, 24) und zuletzt das große Wort sagen: „Ich halte mich für einen alten, absterbenden Baum und freue mich über junge frische (al. grüne) Jünglinge und Streiter. Je mehr ich mich der Berührtheit unter Menschen entziehe, desto süßer ist mir der Genuß des Bewußtseins Gottes. Auf Gottes väterliche Diskretion lebe ich fort, bis er mich am Ende zu sich bringt. Ich weiß nirgends etwas aufzuweisen als meinen Jesum und befehle mich dem getreuen Schöpfer, dem wohlbekannten Erlöser und meinem bewährten Tröster.“ Wie Luther hat er an seinem letzten Ende Haus und Vaterland, Obrigkeit und Freunde, Schule und Kirche in die getreue Hand Gottes befohlen und mit der

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Hermann von Bezzel: Albrecht Bengel. Verlag der Evang. Gesellschaft, Stuttgart 1916, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Albrecht_Bengel.pdf/11&oldid=- (Version vom 9.9.2016)