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So heimlich ists mir jetzt, wie in der Jugendzeit;
Wie bange klopft mein Herz, gewiß ist sie nicht weit!
(Pause)
O, Mädchen! Trug und List übt ihr, noch kaum geboren!
Mein Röschen, meint’ ich, hätt’ noch Niemand sich erkoren,
Sie aber glüht und weint, trotz Einer in der Stadt!
Kaum sechszehn Jahr, verliebt! – Doch still, die Mutter hat
Mit sechszehn auch gefreit! Wie schön war sie und gut,
Wie glücklich waren wir, wie leid sie mir noch thut!
Es rauscht! wo berg’ ich mich, daß mich die Quelle spiegle?
Wo sonst, als oben dort? auf, Liebe, mich beflügle!
(Er klettert von hinten an der Linde hinauf und bleibt im Wipfel sitzen.)

Sechster Auftritt.

Hans. Vorige.

Hans.
Da bin ich nun am Quell, von dem aus grauen Tagen
So viele Wunder sich die alten Leute sagen,
O, wär die Nacht vorbei! Zwar glaub’ ich es nicht sehr,
Doch wovon käme wohl der alte Glaube her?
Wenn Rose nun beschaut die Fluth, die silberklare,
So blick auch ich hinein, damit ich doch erfahre
Ach! wer ihr Mann wird – wär die Stunde erst vorbey,
Bisweilen glaubt ich wohl, daß sie mir günstig sei,
Doch war es nichts – rein nichts! Und doch – wer es nur wüßte!
Wie dumm wars, daß ich nie beim Pfänderspiel sie küßte!

Empfohlene Zitierweise:
Helmina von Chézy: Der neue Narziß. Lustspiel in einem Aufzug. Fleischer, Leipzig [1824], Seite 358. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Helmina_von_Ch%C3%A9zy_-_Der_neue_Narzi%C3%9F.pdf/24&oldid=- (Version vom 12.9.2022)