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nicht was es ist. Es mochte wol ein Vorgefühl davon sein, wenn ich sonst Berichte über Aehnliches las und so schauderte, wenn die Menschen dergleichen freventlich herbeiwünschen konnten, damit das Recht wieder eingesetzt werde, denn eben das Recht hört ja hier ganz auf! Kann man doch fast wahnsinnig werden vor Schmerz über das Elend, und über den allgemeinen Jammer, ja zuletzt alles was recht oder unrecht ist gänzlich vergessen, so daß uns nur der Mensch selbst übrigbleibt. Keine Meinung, kein System gilt da, alles das springt über Bord: der Sieg ist der Tod, also nur der Tod siegt. In diesem Kampf der Principien war immer, nur innerlich, mein Refrain:

Gottes ist der Orient! Gottes ist der Occident!

Und das gab mir Trost. – Ich mache jetzt wieder förmlich mein christliches Noviziat durch und hätte nicht geglaubt, daß das noch durch das Medium der Politik mir geschehen müsse; denn hier, wo es nicht meine Person gilt, wird mir das Vergeben und Vergessen weit schwerer, als es mir sonst je im Leben geschehen. Dieser moralische Ekel neben allem Jammer, den man dann empfinden kann über die ganze Menschheit! Auch das muß man mit erlebt haben, um zu wissen, was man alles in dieser Beziehung erfahren kann.“

90) Das von Carus (Lebenserinnerungen III 295–296) mitgeteilte Bruchstück eines Briefes der Frau von Lüttichau muß ein Teil des von ihr gegen Ende ihres vorhergehenden Briefes angekündigten Antwortschreibens auf Tiecks schwermütigen Brief vom 9. September 1849 sein. Denn im Eingang desselben streift sie mitfühlend die beweglichen Klagen des Dichters über die schattenhafte Verdunkelung seines Daseins, wie über das Fehlen der vom höheren Alter erhofften Weisheit, sicheren Ruhe und Leidenschaftslosigkeit. Weiterhin aber ist sie auch ernsthaft bemüht, von sich aus, wie es ihre Art ist, eine befreiende, für den Freund tröstliche Lösung zu finden.

91) Das Dresdener Exemplar des Shakespeare'schen Macbeth, das Tieck sich ein Jahr vor seinem Tode durch den ihm befreundeten Eduard Devrient nach Berlin schicken ließ (vgl. auch den folgenden Brief), war wohl anläßlich der Dresdener Neuaufführung des Stückes am 18. März 1836 (vgl. Proelß a. a. O. 460 und 617) entstanden. Es dürfte ein für diese Aufführung von Tieck angelegtes Regiebuch mit bühnentechnischen Bemerkungen gewesen sein, in der Art des im Besitz des Dresdener Kammersängers Dr. Waldemar Staegemann befindlichen Regiebuchs zu König Lear, das Karl Devrient, zu dessen Glanzrollen der Lear gehörte, mit vielen handschriftlichen Zusätzen versehen hat.

Literaturgeschichtliche Anmerkungen zum Macbeth hatte Tieck, der für dieses Stück besonderes Interesse bekundete, bereits in der 1833 bei Reimer erschienenen Ausgabe von Shakespeares dramatischen Werken (vgl. IX 393–418) beigesteuert.

92) Loebell wurde wohl damals bereits von qualvollen körperlichen Leiden heimgesucht. Vgl. Bernhardt a. a. O. 7.

93) Nach dem Staatsstreich vom 2. Dezember 1851 hatte der Prinzpräsident Louis Napoleon ein Plebiszit über die Grundzüge einer neuen Verfassung und die Verlängerung seiner Amtszeit auf zehn Jahre angeordnet. Am 20. und 21. Dezember stimmten 7 439 216 dafür, dagegen nur 646 737. Daraufhin verkündete Napoleon am 14. Januar 1852 die neue Verfassung. Vgl. Propyläen-Weltgeschichte VIII: Liberalismus und Nationalismus 1848–1890 S. 75 f.

94) Der undatierte Brief dürfte im Frühsommer 1852 geschrieben sein. Für den Sommer war eine Reise der Frau von Lüttichau nach Berlin in Aussicht genommen. Tieck äußert darin den Wunsch, das Befinden der 1852 krank nach Berlin zurückgekehrten Frau von Bardeleben möchte sich im Sommer bessern.