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ein, als es schon ganz finstre Nacht geworden war, freute mich der dort lärmenden Fröhlichkeit und ließ mir ein Zimmer geben, von welchem ich die Thüre offen ließ, um die Verwirrung und Confusion aus nächster Hand zu genießen. Die jungen Leute freuten sich meiner Theilnahme, und so ging die zweite Nacht auch völlig ohne Schlaf vorüber. Als es im Saale ruhiger geworden war, erlegte ich meine Zeche, weil Wirth und Wirthin so wie alle Dienerschaft sich nun der Ruhe und dem Schlaf übergaben. Es war noch die schöne Zeit in Deutschland, als man dieses einsam liegende, kleine Haus zuversichtlich des Nachts konnte offen stehen lassen, wie damals in vielen Gegenden des Landes. Ich ging nun weiter; ein schöner Weidengang empfing mich, und ich bestieg einige Hügel. Nicht lange, so ging die Sonne auf. Aber wo Worte hernehmen, um das nur matt zu schildern, das Wunder, die Erscheinung, welches mir begegnete, und meine Seele, meinen innern Menschen, alle meine Kräfte verwandelte und einem unsichtbaren, einem göttlich großen Unnennbaren entgegen riß und führte. Ein unnennbares Entzücken ergriff mein ganzes Wesen; ich zitterte und ein Thränenstrom, so innig durchdringlich, wie ich ihn nie vergossen hatte, floß aus meinen Augen. Ich mußte stille stehen, um diese Vision ganz zu erleben, und so wie mein Herz in der höchsten Freude zitterte, so war mir, völlig überzeugend, als wenn ein zweites, seliges, liebendes Herz an meinem Busen klopfte. Wie schon gesagt, dies war der höchste Moment meines ganzen Lebens; ich konnte mich in Freude überseliger Lust der tiefsten Thränen in der Entzückung nicht erwehren. Wie lange diese berauschende Zeit mich ergriff, kann ich nicht sagen. Als der lebhafteste Taumel vorüber war, bestieg ich ein steil liegendes, nahes Schloß, welches unbewohnt schien, und vor dessen Höhe ich einige Arbeiter, welche die Frucht schon einerndteten, sehen konnte. Einige Zimmer unten waren offen, und ich sah Familienbildnisse, die sich aus den Rahmen los gemacht hatten, und mit der Leinewand schwankten. Es war natürlich, daß nach der großen Aufregung mir auch hier alles anders und wunderbarer erschien. Mühsam kletterte ich den steilen Berg hinunter und ließ mir, eine Stunde etwa entfernt, auf einem Dorfe mein erstes Frühstück geben. Ich habe mir nie verschwiegen, daß die beiden schlaflosen Nächte, die Musik, die Aufregung der Natur, alles dies zusammen jene große, übernatürliche Entzückung in mir vorbereitete; der Mensch kann dergleichen vielleicht nur einmal erleben. Ein alter Patriarch hätte an jener Stelle, wo mir diese Vision, wie ich sie nennen muß, begegnete, einen Stein geweiht und zum Andenken gesetzt. Achtzig Jahre bin ich nun alt, und der Rückblick auf diese Momente ist mir der wundervollste, rätselhafteste meines langen Lebens geblieben. Diese unbeschreibliche persönliche Liebe, diese fühlbare, überzeugende ist mir niemals wieder begegnet, und doch halte ich mich für hoch beglückt, daß ich diesen Zustand erleben konnte. Noch mehrere