Seite:Heft31VereinGeschichteDresden1933.pdf/66

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Berliner Witwe mittels Savigny[1] abgemacht und dem Könige hinter Bismarcks Rücken unterbreitet worden. Dieser soll wie ein Gummiball schäumen und allerhand Kontreminen springen lassen, darum will er auch nicht wieder gesund werden. Nachdem die Sache nach allen Winden hinausgeschrieben, auch vom Könige selbst proklamiert worden ist, scheint sich alles wieder in Rauch aufzulösen, und von Berlin schreibt man, noch sei eigentlich mit Sachsen gar nichts verhandelt worden[2].

Brief von du Benoît: in Frankreich scheint man bereits fuchswild auf die Preußen zu sein.


  1. Bismarck, der damals erkrankt war, hatte die Verhandlungen mit Sachsen Karl Friedrich v. Savigny übertragen. v. Savigny (1814 bis 1875) war von 1864 bis zum 14. Juni 1866 preußischer Gesandter in Frankfurt. 1868 trat er vom Staatsdienst zurück. Er wurde Abgeordneter der Zentrumspartei im Deutschen Reichstag und im preußischen Abgeordnetenhaus. – Die Berliner Witwe ist Elisabeth, Witwe Friedrich Wilhelms IV. (siehe oben: 28. August).
  2. Tatsächlich hatte König Wilhelm von Preußen den bereits zwischen Savigny und den sächsischen Unterhändlern getroffenen militärischen Vereinbarungen, die besonders das selbständige Fortbestehen der Armee verhießen und von König Johann angenommen worden waren, nicht zugestimmt. (Näheres hierüber bei v. Friesen, 2, 313 ff.) König Wilhelm und Bismarck schienen damals noch an der loyalen Gesinnung König Johanns, der sich noch immer im engen Verkehr mit Kaiser Franz Joseph zu Wien befand, stark zu zweifeln. Deshalb verlegte der sächsische König endlich seinen Wohnsitz von Schönbrunn nach Regensburg und von da nach Prag (27. September).
    Die preußischen Zeitungen unterließen in jenen Tagen nicht, allerlei über den Preußenhaß in Dresden und Sachsen mitzuteilen. Die Schlesische Zeitung schrieb: „In Dresden hat der Preußenhaß während der Okkupation wahrhaft widrige Orgien gefeiert und feiert sie heute noch“ (Journal, 27. September). Am 28. September erschien im Journal eine amtliche Erklärung des sächsischen Korpsadjutanten v. Welck gegen die in der preußenfreundlichen Presse verbreitete Meldung, daß Kronprinz Albert, wie aus verschiedenen Soldatenbriefen hervorgehe, in einer Ansprache an die Armee die baldige Mitwirkung Frankreichs und den Wiederbeginn der Feindseligkeiten angekündigt habe. „Jetzt werden wir mit den Franzosen anders angerasselt kommen, als mit den Österreichern“, hatte in einem der fraglichen Soldatenbriefe gestanden. Später im Oktober brachte man von sächsischer Seite den Leipziger Preußenfreund Dr. Joseph mit diesen Briefen in Verbindung. Biedermanns Organ (Deutsche Allgemeine Zeitung) wußte aus Dresden zu berichten, daß unter den Augen mehrerer preußenfreundlicher Bürger preußisch eingestellte Zeitungen angespuckt und verbrannt, in einer Restauration Bilder der preußischen Königsfamilie und von Mitgliedern der preußischen Regierung besudelt worden seien, während man Andersdenkende mit dem Schimpfworte Vaterlandsverräter belegt habe. Die Konstitutionelle Zeitung bemerkte dazu (1. Oktober): „Unter 10 Personen wird von 7 gesagt, König Johann zögere nur deshalb so lange mit dem Frieden, weil er bestimmte Zusage auf Hilfe im Rücken habe. Ja, ja, mein Herr, sagte uns neulich jemand, wir sehen weiter als Sie, heute übers Jahr werden wir vielleicht diesen . . . Preußen Gesetze vorschreiben.“ – Nach der Schlesischen Zeitung tröstete sich in Dresden jeder mit dem Gedanken, daß die Scharte von Königgrätz bald wieder ausgewetzt würde.
Empfohlene Zitierweise:
Erwin Heyne (Hrsg.): Kriegstage in Dresden 1866 und 1870. i. A. des Verein für Geschichte Dresdens, Dresden 1933, Seite 60. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Heft31VereinGeschichteDresden1933.pdf/66&oldid=- (Version vom 30.5.2024)