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(der lieben Kunst sei es geklagt) zeitgemäß ist; allgemeine Geldkalamitäten veranlassen jetzt auch allgemeine Kunstkalamitäten! O, wir Armen! Wenn an einem Spohr so rücksichtlos gehandelt wird, was soll da meine Wenigkeit erwarten? Aber ich beklage Ihre nunmehrige Untätigkeit. Ich hoffte, daß Sie auch bei Ihrer Pensionierung beauftragt werden würden oder höflichst ersucht werden würden, das dortige Kunstgetriebe zu invigilieren und darauf einzuwirken.“

Aus den letzten Jahren sind noch einige schöne Erlebnisse mitzuteilen. Die Anhänglichkeit an seine alte Leipziger Thomasschule bewies er 1854 durch Teilnahme an einer Versammlung alter Schüler. In einem Briefe, vor dem Feste geschrieben, lesen wir: „Endlich sind doch ein paar alte Hähne aufgetreten und haben eine Versammlung der alten Pennäler angeregt. Hoffentlich kommt sie zustande.“

Eine andere Freude war ihm auch der Erfolg seines Orator ums „David“, welches außer in Dresden u. a. auch von der Berliner Singakademie (unter seiner „feurigen“ Leitung) und in Erfurt aufgeführt wurde. Eine Militärkapelle brachte ihm bei dem Besuche in Erfurt eine Morgenmusik mit einem Programm Reissigerscher Kompositionen dar, worüber er natürlich sehr erfreut war. Über die Aufführung des „David“ selbst schreibt er allerdings, woraus sein berechtigter Stolz auf Dresden hervorleuchtet[1]: „Natürlich mußte ich, als verwöhntes Dresdner Kind, ein Auge zudrücken mein Dresdner Orchesterglanz, die Kraft, Präzision, Vortrag usw usw.“

Ein großes Glück bedeutete ihm sein Familienleben. Er besaß drei Söhne und eine Tochter. Die Briefe, die uns erhalten sind[2], zeugen von einer wahrhaft zärtlichen Liebe zu seiner Familie. Leidet ein Glied an der geringsten Erkrankung, so ist er ängstlich besorgt, Hand in Hand mit seiner Gattin, die in Dresden durch ihren Wohltätigkeitssinn bekannt war. Sie war streng kirchlich erzogen worden und hat vielleicht eine etwas übertriebene Frömmigkeit geübt. Reissiger stellte ihr dann mit seinem gesunden Empfinden öfter in liebevollster Weise das rechte Maß vor Augen. Er schreibt einmal: „Deine Bemerkung über das Theatergehen kann ich gar nicht teilen . . Man muß alles mit Maß tun, auch das Beten hat seine Zeit; es darf nie zur Gewohnheit werden, sonst wird es zum sträflichen Geplapper. Man prunke auch nicht damit, sondern befolge, was die Schrift sagt: wenn du betest, gehe in dein Kämmerlein usw. . . . .“ An anderer Stelle sagt er: „Der Genuß ist durchaus nicht verboten, aber man soll sein Herz nicht daran hängen, soll die Macht über sich haben, es ohne Schmerz ebensogut entbehren zu können. Wir sind ebenso zur Freude bestimmt, wie die Freude edel ist, und sollen genießen und uns freuen mit den Freudigen. Aber die Hauptsache ist, daß wir auch in der Freude ein dankbares Herz gegen Gott haben und nie vergessen, daß alles von ihm kömmt. Das Menschenleben wäre ja eine traurige Pilgerreise, wenn wir uns ganz der Freude und dem Vergnügen verschlössen. Warum essen und trinken denn die überspannt strengen und frommen Leute? Und warum sind sie solche Feinschmecker? Ist es nicht ebenfalls Sünde, Wein, delikate Süßigkeiten zu genießen? Nein, nein, was Gott gibt, genieße dankbar und mäßig.“


  1. Unveröffentlichtes Manuskript, Bibliothek der Gesellschaft der Musikfreunde, Wien.
  2. Im Besitze des Herrn Bürgermeister R.