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wo ein Direktor vor allen Dingen durchaus nicht bequem sein durfte, sondern nur der prior inter pares war, und wo man die Direktoren nicht nach ihren pompösen Opern und ihrem europäischen Ruf (vergl. Spontini, Rossini, K. K.), sondern nach ihren Kapellkenntnissen wählte. Wäre auch Herrn Reissigers Taktieren manchmal durch allzu große Lebhaftigkeit auffallend, so ist mindestens das Übermaß im Eifer besser, als eine phlegmatische Ruhe, die sich vom Orchester beherrschen läßt. Sein Kraftaufwand an jenem Abende war in der Tat zu bewundern, indem er nicht nur die meisten Chöre selbst mitsang, sondern auch, wie ich höre, das Ganze nach dem bloßen Klavierauszuge leitete, folglich mehr im Gedächtnis haben mußte, als mancher andere in der Partitur wirklich nachzulesen gewohnt ist.“

Reissigers Geistesgegenwart wurde dann in derselben Aufführung noch ganz besonders in Anspruch genommen durch ein Versehen des Tenors. Dieser hatte die Noten plötzlich verlegt, aus denen er ein Rezitativ zu singen hatte, und versagte im gegebenen Augenblicke. Da sang Reissiger schnell entschlossen das Rezitativ selbst, was er bei seiner guten Stimme sehr wohl wagen konnte.

Wie stimmt nun dies alles zu dem immer behaupteten Phlegma Reissigers? Gerade im Gegenteil stimmen alle Berichte über Reissiger darin überein, daß er ein lebensprühender Dirigent war.

Künstlerisch konnte Reissiger auf seine bisherige Arbeit in Dresden stolz sein, wenn sich nur nicht immer materielle Sorgen eingestellt hätten. Trotz Gehaltserhöhungen waren 1200 Taler für seine jetzige Stellung immerhin eine geringe Bezahlung, da er durch seine Arbeitslast auch die ihm anfangs zugesicherte freie Zeit zum Nebenverdienst nicht erhielt. Infolge seiner Stellung als Hofbeamter hatte er noch besondere Abgaben (Armenhaus- und Prämiensteuer) zu leisten. Von denselben hatte er vor der Anstellung nichts erfahren. Glücklicherweise fand er bei Lüttichau Verständnis, der beim Könige wegen Erlaß der Sondersteuern vermittelte. Er schrieb, „daß Reissiger kein eigenes Vermögen besitze, hilfsbedürftige Eltern und Geschwister zu unterstützen und die Kosten einer neuen Einrichtung zu bestreiten habe, folglich durch den mindesten Verlust in die sorgenvollste Lage versetzt werden würde“, „daß Reissiger, unbekannt mit den hiesigen Verhältnissen, dem Rufe zu seiner gegenwärtigen, ehrenvollen Stellung gefolgt sei, im Auslande Verhältnisse verlassen habe, die ihm eine sorgenfreie Existenz gewährleistet“ usw. usw. Der Intendant schließt mit den Worten, daß er es „bei den ausgezeichneten, unermüdeten und so beschwerlichen Dienstleistungen dieses so fleißigen und talentvollen Mannes“ für nötig hält, für ihn beim Könige einzutreten.

Das war im Januar 1828. Schon im darauffolgenden April machte Lüttichau eine Eingabe, die die dringend werdende Nachfolge Webers nun endlich regeln soll. Er zählt Reissigers Verdienste erneut auf (gesamte Leitung der deutschen und italienischen Oper, der Kirchenmusik im Verein mit Rastrelli, Anordnung aller Hofkonzerte und sonstigen musikalischen Unterhaltungen). Er schreibt dann: „Wenn nun Reissiger auf diese Art seine Fähigkeit, jenes so ausgezeichnete Institut musikalisch zu leiten, auf das Deutlichste und während eines längeren durch Einstudierung von Oberon, Elisabeth und anderen schwierigen Opern vielfach beschäftigenden Zeitraums