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ebensoviel bestellt sind, wenn ich zurückkehren werde? – Eine Stadt, wo die Lektionen von 12 bis 18 Franks bezahlt werden, deren ich mehrere hätte haben können, wenn ich lange hier geblieben wäre! – Habe ich da Unrecht? – Daß meine Kompositionen hier gekauft werden, habe ich nächst meinem zweiten Trio, das Sie noch nicht kennen und das ich hier einmal in einer großen Soiree gespielt habe, vorzüglich dem Pixis zu verdanken, der sich als recht braver Mensch und Landsmann an mir gezeigt hat und mich und meine Kompositionen überall empfohlen hat. – Bin ich dann wieder durch Wien und Prag passiert, so komme ich dann auch nach Berlin, um Sie vor meiner Rückreise nach Paris alle noch einmal zu sehen – denn anders könnte ich es doch nicht übers Herz bringen –. Sehen Sie, das ist jetzt meine Ansicht, Paris ist freilich ein Ort, wo eben nicht viel mehr zu hören ist als in Berlin, aber doch viel Mannigfaltigeres als in Berlin und noch viel mehr, als in anderen Städten, und wenn man ein halbes Jahr in Paris gewesen ist, kennt man alles und kann wieder abreisen mit gutem Gewissen. Es wäre denn, daß einer eine Oper dort schreiben wollte, dann müßte er wenigstens zwei Jahre dort bleiben, um sich so bekannt zu machen, daß er von einer Kgl. Theaterdirektion ein Buch bekäme. – Über meine künftige Existenz bin ich nunmehr ganz außer Sorgen und es wäre mir nur meine Entfernung von meinen Angehörigen und Freunden schmerzlich.“

Wir müssen uns nun im folgenden versagen, die interessanten, von Naturbegeisterung diktierten Reiseberichte, soweit sie sich auf Ort und Landschaften (z. B. die Romantik der Alpen) beziehen, wiederzugeben, ferner von Reissigers Streben, alles nur erdenklich Fesselnde, was sich ihm bot (er hat z. B. eine Wallfahrt mitgemacht), mitzunehmen, zu handeln, sondern wir beschränken uns nur auf das die Musik Betreffende.

Über Lyons Verhältnisse erzählt Reissiger: „Der Handel erstickt in dieser Stadt den Sinn für die schönen Künste, vorzüglich für die Musik. Ich mußte lachen, als mich jemand fragte, welche Oper mir wohl besser gefiele, die Pariser oder die Lyoner. In den Entreactes des Schauspiels wollen zwei Geigen das Haus erfüllen, und zwar mit malitiöser Musik, die kein Mensch außer Lyon kennt. Zuweilen hört man nur ein einziges Geigelchen! Ich hörte Une Folie von Méhul und eine andere Oper von d'Alayrac und Hérold. Die Pantomime ist ganz vortrefflich und das Ballett gut. Was nun überhaupt den Glanz der Musik anbelangt, so ist alles auf Paris beschränkt. In der Provinz herrscht Finsternis. Kirchenmusik gibt’s gar nicht, und wenn einmal ein Fest in der Kirche gefeiert wird, so werden dazu Rossinische Ouvertüren gewählt, welche während der Messe den Geistlichen zum Ruhepunkt dienend, von den Militärbanden ausgeführt werden. Die Kirchen werde ich heute zum lieben Sonntag ein wenig durchstöbern, und dann wie gewöhnlich des Sonntags, wo ich mich recht unbehaglich fühle und immer im Kreise der lieben Familie in Berlin sein möchte, auf Ihr Wohl ein Fläschchen trinken.“ Und von Turin heißt es weiter: „Im Theater gab man eine schlechte Oper von Niccolini[1] „Tenzone“ – für diesen Karneval komponiert – aber ein sehr schönes Ballett: Jeanne d’Arc. Das Theater ist wunderschön, ebenso groß als das Berliner Opernhaus, nur freundlicher und eleganter.


  1. 1763 – 1842 ital. Opern- und Kirchenkomponist, dessen Werke heute vergessen sind.