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In Briefen heißt es dann über sein Leben in Paris weiter: „Die Zeit vergeht hier schrecklich schnell, kaum habe ich die Sehenswürdigkeiten, die ich notwendig vor Ende des Herbstes sehen mußte, alle in Augenschein genommen, geschweige denn alles gehört, was zu hören ist. Ich habe seit drei Wochen müssen die Nächte zu Hilfe nehmen, um mir etwas zu verdienen, wie könnte ich sonst hier bestehen – ich mache ja das ganze preußische Ministerium arm. Denken Sie, daß man den Tag über unter 6 Francs (inkl. Logis) nicht leben kann, denken Sie, daß die Theaterpreise (Parterre 3 – 4 und 5 Francs) sind, und ich fast täglich ins Theater gehe, so haben Sie einen Begriff. Ich war so glücklich, an einen hiesigen Verleger mein neues Trio (das zweite) zu verkaufen und ein Heft Variations brilliantes für 600 Francs, und dieses kommt mir dabei wohl zustatten, ob ich mich gleich wunderte, daß der Verleger dieses nahm, da ich hier noch nicht bekannt bin. – Alles ist hier enorm teuer, jede Gefälligkeit muß man von den Franzosen teuer erkaufen, und dann erlangt man noch nichts ohne Vorteil (?). Jedoch, was schwatze ich Ihnen da für uninteressantes Zeug vor? I nun, klagt doch sogar Rossini über das teure Leben hier. Ich hatte gestern abends bei der de Merlin das Glück, diesen großen Mann näher kennen zu lernen, da er sich viel mit mir unterhielt und mich sogar bat, ihm etwas von meiner Oper hören zu lassen, woraus ich ihm die Ouvertüre spielte, womit er sehr zufrieden war. – Denken Sie sich, Rossini wird die hiesige italienische Oper übernehmen, wird in Paris bleiben!!! Nun in den Schranken muß er gehalten werden, da werden die Deutschen und auch die vernünftigen Franzosen schon dazu beitragen. Wenn er in der italienischen Oper herrscht, à la bonheur, das verdient er, denn er ist einmal der erste italienische Komponist, aber wenn er sich erkühnt, seine „Gazza ladra“ in der großen Academie royale zu geben, dann wird er gewiß immer ausgezischt, wie dies neulich geschehen ist. Dafür mag er in der italienischen Oper vergöttert werden, und da verdient er’s.“ An anderer Stelle äußert sich Reissiger über Rossini (Bericht): „Ich habe nun auf meinen Reisen alle Rossinischen Opern gehört, manche sehr oft, bin nun endlich ermüdet davon. Der Laie hält freilich das für gut, was er in Paris, in der Pariser italienischen Oper, in einer der ersten Städte Europas hört, allein ein Künstler wird sich, wenn er sich alles Gute, dessen Rossini wirklich nicht wenig besitzt, ins vorteilhafteste Licht zu setzen sucht, doch immer und ewig über die Fehler, die das Gute bei weitem übersteigen, ärgern. Rossinis Melodien sind leicht, reizend, er schreibt mit Gefühl, versteht den Effekt, allein seine Musik ist nie ein Ganzes, seine Opern sind keine Kunstwerke wie die eines Mozart, die von Anfang bis zu Ende durchdacht und den Anforderungen, die Deklamation, Ästhetik usw. machen, Genüge leistet, er läßt in seiner Musik nicht selten den Traurigen fröhlich sein und macht den Greis zum Kinde, macht und behandelt oft die ernsthaftesten Gegenstände komisch und zieht das Edle ins Niedrige herab. Jedoch gefällt seine Musik und sie verdient es; allein, daß sie so außerordentlich verehrt wird, ist unrecht. Rossini hat nur drei Originalopern geschrieben, den „Othello“, „Tancredi“ und den „Barbiere di Seviglia“, alle anderen Opern sind nur Wiederholungen und Kopien seiner früheren und sind entweder aus Geldgierde oder aus Einseitigkeit seines Talents entstanden. Jedoch glaube ich das Erstere, da ich die Ehre habe, ihn näher zu kennen.“