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nihil remisit, sed mentem, antiquo literarum amore incensam, novo semper discendi ardore inflammavit. Quare factum est, ut severiorum et reconditarum literarum cestam sibi atque idoneam scientiam compararet, a nullius ingenuae artis cognitione abhorreret, et in musicis a deo rebus ita excelleret, ut paene artifex videretur.“

Dem Willen des Vaters folgend, schickte er sich zunächst an, die theologischen Vorlesungen der Universität zu belegen[1]. Da er sich seinen Unterhalt aber hauptsächlich durch die Musik verdienen mußte, kam er in immer engere Beziehungen zur Kunst. Er gab Klavier- und Orgelunterricht, sang und spielte in Leipziger Familien. Unter seinen damaligen Schülerinnen

befand sich u. a. Henriette Kuntze, die später als Frau Voigt in ihrem Musiksalon in Leipzig alle bekannten Größen des musikalischen Himmels begrüßte und besonders durch Robert Schumann bekannt geworden ist[2]. Ihr widmete Reissiger später sein siebentes Trio. Er wurde ferner Solosänger im Gewandhauskonzert und spielte auch abwechselnd Violine und Bratsche im Orchester mit. Das Violinspiel hatte er ja, wie wir schon wissen, im Elternhause zu erlernen begonnen und dann in der späteren Schulzeit weiter gepflegt. Der Konzertmeister des Gewandhausorchesters, Matthäi, ein Spohr-Schüler, hatte sich seit 1817 „um die Darstellung der Sinfonien, vornehmlich der Beethovenschen, besonders verdient“ gemacht[2]. Der junge Theologe war begeistert, in diesen Werken aktiv mitwirken zu können, und trieb, dadurch weiter angespornt, immer eifrig Musiktheorie neben dem Studium der Theologie. Letzteres sollte aber bald einen Stoß erhalten. Schicht erhielt Kenntnis von zwei neuen Motetten Reissigers. Die Beherrschung des Satzes (stellenweise achtstimmig und fugiert) sowie der wirksame Aufbau bestimmten ihn, dieselben an Breitkopf & Härtel zu empfehlen und sie auch in der Thomaskirche aufzuführen[3]. Der Verlag druckte sie 1819 als Op. 2, und Reissiger widmete sie seinem verehrten Lehrer Schicht. Dieser sollte nun fernerhin sein Wohltäter werden. Er redete ihm ernstlich zu, sich der Musik ganz zu widmen und wollte ihm selbst weiteren Kompositionsunterricht unentgeltlich erteilen. Auch Schicht war einst erst auf dem Umwege des akademischen Studiums zur Musik gelangt. Marschner hatte er bereits mit Erfolg vom Jus zur Musik bekehrt, und Zöllner überredete er später ebenfalls, die Alma mater zu verlassen und Komposition zu studieren[4]. Schicht hatte außerdem einen großen Bekanntenkreis, worunter sehr wohlhabende Bürger waren, bei denen er sich für Reissiger verwenden wollte[5]. Ferner


  1. Durch das Entgegenkommen der Universitätskanzlei konnte ich die Einschreibung a. d. Universität einsehen, wofür auch an dieser Stelle gedankt sei. Es heißt: 27. April 1818 Rektore DN, DR. Joh. Christiano Rosenmüllero P, P. O. Reissiger Carol. Gottl. Belzigo. Bald nach R. wurde ein gewisser Eduard Hindenburg immatrikuliert, der wahrscheinlich ein Freund R.s war, denn einige der ersten Lieder R.s sind ihm gewidmet.
  2. a b Vgl. Schmidt a. a. O.
  3. Seitdem ist Reissiger mit seinen Chorkompositionen bis heute auf den Programmen des Thomanerchores geblieben.
  4. Von Marschner wissen wir, daß Schicht verschiedene Theoretiker durcharbeiten ließ (besonders Türk und Kirnberger).
  5. Schichts Tochter war verheiratet an den Direktor der Leipziger Feuerversicherungsanstalt Weise, der, selbst Cellist und ein Freund B. Rombergs, in seinem Musiksalon, ebenso wie Henriette Voigt, alle musikalischen Größen – von den Späteren seien Mendelssohn und F. David genannt – empfing.