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= Frl. v. Brochowska), der „Felsenmühle“ (Miltitz),„Turandot“ (nach Schiller), „Adéle de Foix“ (Blum), „Schiffbruch der Medusa“ (Kriete)[1]sind doch mehr oder weniger Schablone. Die Charaktere sind solche von Pseudomenschen, ihre Leidenschaften nicht echt und individuell genug, dabei vielfach in platter Sprache redend. Fast Ironie des Schicksals scheint es, wenn wir Reissiger den einzigen, jedenfalls besten der ihm angebotenen Texte, den zu der „Hohen Braut“ von R. Wagner, dem dramatischen Genie, ablehnen sehen. Daß bei solchen Vorlagen der Komponist nicht zu größeren Impulsen kam und Reissiger mit seinem musikalischen Mischstil, der in den Opern vor allen Dingen hervortritt und eben doch der persönlichen Note entbehrt, die Werke auch nicht mehr emporreißen konnte, leuchtet ein. Höchstens sind die Rezitative als dramatisch gelungen in der Musik zu bezeichnen. Unglücklich war es auch, Stoffe, die schon viel besser bearbeitet waren, in Umarbeitung als neue Vorlage zu verwenden. Die Oper „Ahnenschatz“ war von Reissiger, wie wir wissen, wegen der Ähnlichkeit mit dem Freischütz von selbst liegen gelassen worden. Aber „Libella“ war nun doch schon in etwas vielgestaltiger Weise aufgetreten (Undine, Donaunixe, Meermädchen in Oberon), so daß die Nymphen allmählich ermüdeten. Der „Schiffbruch der Medusa“ war zwar zeitgemäß (der schreckliche Untergang der Fregatte Medusa hatte die Gemüter eben erregt), aber schon durch Flotow unter dem Titel: „Die Matrosen“ in den Opernspielplan übergegangen. Daß Reissiger kein Glück mit den Texten haben sollte, scheint auch daraus zu erhellen, daß ein sonst gewiegter Theaterpraktiker, wie der Berliner Blum (vergl. Anmerkung 1 auf S. 31), an den sich Reissiger wegen „Adéle de Foix“ gewandt hatte, gerade in diesem Falle den Text ganz undramatisch ohne Geschick anlegte.

Formell sind die Opern in alter Nummernmanier angelegt. Eine eingehende Untersuchung wird nun sicher unter den einzelnen Nummern, wenn sie für sich, ohne Rücksicht auf den dramatischen Zusammenhang, genommen werden, musikalisch sehr wirkungsvolle Stücke finden lassen. Wie wäre auch sonst der zeitliche Erfolg der Reissiger-Opern zu erklären, welchen die Verbreitung und die Aufführungszahlen belegen? Nicht nur der Mangel an besseren Opern in der Zeit zwischen Weber und Wagner kann es gewesen sein. Es wird doch immerhin manches Gute darin gesteckt haben. Sonst hätte nicht ein Mann wie Weber Reissiger 1824 eingeführt, sonst wären nicht die Melodien der Opern für so mannigfache Besetzungen (Trios, Quartette, Militärkapellen, ferner in Paraphrasen, Transkriptionen für Klavier zwei- und vierhändig) bearbeitet worden. Wir glauben, daß besonders die französische Rhythmik, die Reissiger ausgezeichnet nachahmte, gezündet hat. Im übrigen war ihm Spontini Vorbild.

Wir bringen einen bisher unveröffentlichten Brief Marschners über die Erstaufführung der „Adéle“ zum Abdruck (im Besitze des Herrn Bürgermeisters Reissiger): „Lieber Freund und Bruder! Gestern abend (am 17.) habe ich Deine Adéle zum ersten Male, und zwar mit glücklichem Erfolge und auch recht gut gegeben. Die Ouvertüre ging wie ein Donnerwetter und errang sich rauschenden Beifall. Gleich der erste Chor gefiel,


  1. Eine Oper: Hannibal wurde nur geplant, 1836.