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meisten Komponisten etwas verlegen behandeln. Originell ist das Credo der As-Dur-Messe, welches sogar eine neuere Erscheinung der Musikgeschichte (Verismo) vorwegnimmt, nämlich das getragene Rezitieren des Textes über einem melodischen Orchesterunterbau. Die Enharmonik ist an manchen Stellen ebenfalls sehr wirksam verwendet, da die Absicht, das gerade den religiösen Stimmungen eigene Schweben von der Musik her zu unterstützen, in einer Kirchenkomposition sehr berechtigt ist („Agnus Dei“ der H-Moll-Messe, in dem Offertorium „Non nobis“). Dem Posaunenzeitalter, in welchem Reissiger lebte, trägt die D-Moll-Messe (Posaunenmesse) Rechnung, eine Ausnahme für Dresden, da die Posaunen in der Katholischen Hofkirche eigentlich verboten waren. Mehrere kleinere Messen, für ein Gesangsquartett mit Orgel, schrieb Reissiger noch auf Anordnung des Königs Johann für das Hoflager in Pillnitz und nannte sie „Figuralmessen“.

Die Reissiger-Messen, sowie viele der für die Katholische Hofkirche in Dresden komponierten Gradualien und Offertorien sind noch heute ständig im gottesdienstlichen Gebrauch.

Der Erfolg der Mendelssohnschen Oratorien scheint dann auch der Anlaß zu Reissigers Oratorium „David“ geworden zu sein. Es war nicht möglich, Einblick in dasselbe zu erhalten, aber zeitgenössische Kritiken bezeichnen es als im Stile der Messen gehalten. Eine Stelle in Wagners Briefen scheint sogar Interesse der Wagnerianer für Reissigers Oratorium und einige andere Sachen anzudeuten[1]. Reissiger selbst dirigierte außer in Dresden Aufführungen des Oratoriums in der Berliner Singakademie und in Erfurt.

Das für den Komponisten Reissiger am wenigsten glückliche Gebiet war die Oper. Es ist charakteristisch in der Musikgeschichte, daß fast alle Komponisten, mit nur wenigen Ausnahmen, nach Erfolgen auf der Bühne streben. Wie ein Dämon schwebt die Oper allen als ein verlockendes Ziel vor Augen, sie bietet eben die Möglichkeit, sein Können zu gleicher Zeit von recht vielen Seiten zu zeigen.

Bei Reissiger können wir den Wunsch nach der Bühne besonders verstehen, da sie ihm durch seinen Beruf nahe lag. Er spricht sogar einmal von seiner großen Vorliebe zur dramatischen Komposition[2]. Reissiger besaß, wie z. B. auch Rellstab behauptete, dramatische Veranlagung, aber nur bis zu einem gewissen Grade. Balladen haben energische, dramatische Stellen. Einige Sätze der Kammermusik (F-Moll-Quartett, Cellosonate op. 152) erheben sich zu dramatischem Schwung. Selbst die Schauspielmusik zu „Yelva“ ist, wie wir gesehen haben, dramatisch als äußerst gelungen zu bezeichnen gewesen. Aber gerade eben nur bis zu der Höhe einer Schauspielmusik langte die dramatische Begabung[3]. Zu größeren dramatischen Wirkungen, wie sie eine Oper verlangt, war Reissiger, der vorwiegende Lyriker, nicht geboren. Allerdings ist das Mißgeschick zu berücksichtigen, daß Reissiger niemals einen so dramatischen Vorwurf, wie Yelva als Schauspiel war, für eine Oper erlangte. Die Libretti der „Libella“ (Theophania


  1. Wagners Briefe an Uhlig, Fischer, Heine (Leipzig 1888), S. 193.
  2. Reissiger-Akten im Hoftheaterarchiv zu Dresden (Brief vom 21. Juli 1826).
  3. Es sei erwähnt, daß R. auch eine Musik zu Faust 2. Teil schrieb (Manuskript im Hoftheaterarchiv zu Dresden).