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„Kurz, die ganze Sache bei Euch handelt sich immer nur um das Erlaubte und das Unerlaubte des Genusses, und das ist nicht abzuwägen. Denke, wie weit eine solche strenge Erziehung von Jugend auf führen würde. Laß einmal ein Kind nichts tun als beten, wohin würde es kommen?“

Die Tochter Julie hatte besonders die musikalische Begabung vom Vater geerbt, und er liebte sie deshalb sehr. Sie war später in Dresden eine beliebte Klavierlehrerin.

I. von Wasielewski[1] berichtet, daß er in den dreißiger Jahren mit Reissiger im Café „Torniamenti“ auf der Brühlschen Terrasse (besteht heute nicht mehr) bei einer Tasse Mokka manche gemütliche Stunde verplaudert habe; dasselbe geschah mit Fr. Wieck, der später ständig in Dresden lebte. Über alles ging ihm aber sein Daheim. Aus Mahndorf bei Halberstadt, wo er in den Ferien sich öfters bei Verwandten aufhielt, schreibt er einmal an die Gattin: „Montag erhielt ich Deinen lieben Brief und die herrliche Beruhigung über Euer Wohlsein und die Triosoirée. Ja, ja, es ist hübsch bei Reissigers. Das weiß ich auch. und dennoch reise ich manchmal weg. Ist mir aber schon recht, wenn ich mich dann ennuyiere[2].“

Im Frühjahr 1859, nachdem die Vermählungsfeierlichkeiten am Hofe (Prinz Georg) vorüber waren[3], gebrauchte Reissiger die Kur in Karlsbad, um sich von einem 1858 erlittenen Schlaganfall, welcher scheinbar ohne Folgen geblieben war, zu kräftigen. Die Kur griff aber zu sehr an. Dennoch erholte er sich so weit wieder, daß die Ärzte ihm erlaubten, den Dienst in der Hofkirche wieder aufzunehmen (7. August 1859). Aber seine Kraft war gebrochen. Am 5. November 1859 dirigierte er noch die Litanei. Am 7. November wiederholte sich der Schlaganfall, der sein Leben beendete. Ein gütiges Geschick hatte ihn vor langer Krankheit bewahrt.

Die Ehrungen bei seinem Heimgange waren von seiten der Hoftheater und der Stadt sehr große. Erwähnt sei nur, daß ein von Reissiger komponierter, im Nachlaß gefundener Trauergesang an der Ruhestätte auf dem Trinitatisfriedhofe erklang, und seine Freunde Julius Rietz aus Leipzig, Reissigers Nachfolger, und Eduard Grell aus Berlin nach Dresden kamen, ebenso eine Abordnung der Leipziger Pauliner. Ein schroffer Gegensatz zu Reissigers Hingang bildete der festliche Glanz, in welchen Dresden gerade zurzeit anläßlich der Schiller-Jahrhundertfeier getaucht war. Reissiger hatte für die Vorfeier (am 9. November) noch eine Festouvertüre geschrieben.

Da zwei Wochen vorher auch Reissigers Freund Spohr abberufen worden war, so verband man im Tonkünstlerverein die musikalische Gedächtnisfeier für beide. Die Hofkapelle gedachte seiner besonders in einem Sinfoniekonzert mit Reissigers Kompositionen und der von Reissiger selbst so geliebten Eroica-Sinfonie von Beethoven am Schluß. Besonders gedachten ferner seiner die Dreyßigsche Singakademie durch Aufführung des Mozartschen Requiems, die Robert Schumannsche Singakademie durch Reissigersche Werke (Requiem, Chor aus „David“ und einige Motetten), der Allgemeine Dresdner Sängerverein durch eine Gedenkrede (verfaßt von Drobisch, gesprochen


  1. Aus 70 Jahren, Lebenserinnerungen, 1897.
  2. Vgl. Nieritz, Selbstbiographie (Leipzig 1872) die Stelle über einen Besuch bei R.s, wo Nieritz erfreut bemerkt, daß R.s Kinder seine Erzählungen kennen.
  3. R. hat während seiner Dienstzeit 6 Festspiele für die Kgl. Familie schreiben müssen.