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Elbsorben findet ein Schriftsteller in der einstigen Supano-Smurdenverfassung dieser Gaue[1]. Zwei Schichten, eine herrschende avarische und eine beherrschte sorbische, hätten sich nach dieser Ansicht zu Beginn des 7. Jahrhunderts bei dem Stamm der Dalaminzier in der Meißner Landschaft gegenüber gestanden, die herrschende in den Supanen, die beherrschte in den Smurden verkörpert.

Nicht die ganze Horde der Avaren, so versucht Peisker, der diese Auffassung vertritt, darzulegen, sei aus den unterworfenen Gebieten im Frühjahr zu Raubzügen aufgebrochen; an jedem Ort und in jeder Dorfmark sei vielmehr von den Avaren im Sommer ein Gebietender zurückgelassen worden, ein Supan, der unter den ackerbauenden Slawen viehzüchtend gesessen und sie beherrscht habe bis zur Rückkehr des Stammes. So sei es gewesen in Böhmen, bis der Aufstand unter Samo der avarischen Herrschaft ein Ende setzte, und so sei es gewesen in den nördlich von Böhmen liegenden Gauen der Elbsorben[2]. Supan von Sup, das als Dorfmark erklärt wird[3], bedeute den weidenden Avaren, Smurde sei der beherrschte Sorbe, der slawische Bauer in Dalaminzien, der heutigen Meißner Gegend, und in dem südlich anstoßenden Nisan, der heutigen Dresdner Gegend. Diese Ansicht kann nicht aufrecht erhalten werden. Die Gegenüberstellung leidet in dem wesentlichsten Punkt, in der Betonung der Supane als einer herrschenden Schicht, an einem entschiedenen Gebrechen. In der geschichtlichen Zeit gehören die Supane im Meißnischen nicht zu der herrschenden Schicht, die eigentlichen „Herrengüter“ des Landes sind nicht in den Händen der Supane, es müßten erst geschichtliche Vorgänge und Wandlungen, welche zwischen der avarischen Zeit und den Zuständen des zwölften und dreizehnten Jahrhunderts liegen, erklärt und an Beispielen aufgehellt werden, um den Zusammenhang der Supano-Smurdenverfassung mit den Zuständen unter der avarischen Herrschaft wahrscheinlich zu machen. Der Besitz der Herrenschicht in der geschichtlichen Zeit unterscheidet sich


  1. J. Peisker, Die älteren Beziehungen der Slawen zu Turkotataren und Germanen (Vierteljahrsschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte III, S. 187), 1905.
  2. Ebendort S. 290, 320 – 329, 484, 530.
  3. Ebendort S. 306, 350.