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Auch im Kreise der Besucher, unter denen mehrere Maler waren, scheint der Eindruck stark gewesen zu sein. Er schreibt: „Es war für uns alle ein Erlebnis mit einem Maler, der Einblick in ein gereiftes Werk gibt, das neben seiner geistigen Symbolkraft u. Strenge in der formalen Komposition die Helligkeit kraftvoller Jugend ausstrahlte. In einer Zeit, die von dem Ausdruck innerer Müdigkeit gezeichnet ist, hatten wir somit eine Begegnung, die im besseren Sinne festlich war“ –. Nun, mehr kann ich wirklich nicht verlangen u. ich freue mich sehr. Herr Thim schreibt dann noch von einer bekannten Geigerin, deren Namen er aber nicht nennt, die den Wunsch hat, mit mir zu sprechen u. bittet mich, in nächster Zeit mit Elisabeth ein Zusammensein bestimmen zu wollen. Er möchte die Ausstellung, die durch die zurückgebliebenen Bilder vermehrt werden sollte, nochmals wiederholen, womit ich gern einverstanden bin. – Endlich ist das einmal ein Wiederhall.

Donnerstag, 23. Juli 1953.     

     Gestern am Spätnachmittag war die Sitzung der Bezirksgruppe Bln-Mitte des VbK. Es wurde über die katastrophale Materialbeschaffung für Künstler gesprochen, Herr Eschbach stellte in Aussicht, daß demnächst Leinewand beschafft werden würde. – Anschließend führte Herr Eschbach mit einem Lichtbild-Apparat Bilder von der III. Dt. Kunstausstellung in Dresden vor, zu denen jeder seine Meinung sagen konnte, was auch ich tat. Es wurde u. a. auch eine Büste von Karl Marx gezeigt, die von einem Bildhauer Lammert stammt u. die mit einem Preise ausgezeichnet wurde. Dieser Lammert ist verheiratet mit einer Aerztin, welche in Wuhlgarten arbeitet. Nach Elisabeths Schilderung scheint sie eine sehr üble Kommunistin zu sein. Sie ist geborene Russin oder hat lange dort gelebt, Herr Lammert war ebenfalls lange in Rußland. Er ist früher ein Bildhauer abstrakter Richtung gewesen, bemüht sich heute um den sozialistischen Realismus u. diese Büste ist das Ergebnis dieser Bemühung. Ich kann zur Ehre der Kollegen sagen, daß sie von allen ohne Ausnahme abgelehnt wurde. Ich selbst konnte mir nicht versagen, darauf hinzuweisen, daß Lammert offenbar ein typisches Beispiel ist für die verheehrende Wirkung innerer Unfreiheit im Schaffen. Lammert ist seiner ganzen Begabung nach deutlich auf ein abstraktes Kunstschaffen hingewiesen, er ist „Formalist“. Er darf das aber nicht u. ist gezwungen, realistisch oder naturalistisch zu arbeiten. Vielleicht hätte er eine ganz gute Büste in ganz abstrakter Form machen können, aber nun hat er einen streng

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Hans Brass: Thim-Sieberg. , 1953, Seite 014. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1953-07-23_001.jpg&oldid=- (Version vom 2.3.2024)